Fall des Monats März 2013

Alarm an einem Novembersonntag um 22:15 für RTW und NEF in ein Altenpflegeheim "Atemnot"
RTW und NEF treffen etwa zeitgleich ein. Vor Ort finde sich eine 83jährige Patientin mit Cheyne-Stokes-Atmung. Zusätzlich besteht ein deutliches inspiratorisches und expiratorisches Distanzrasseln beim Atmen. Die Patientin ist nicht erweckbar. Laut Angaben des Pflegepersonals ist die Patientin seit einem schweren doppelten Apoplex vor 2 Jahren in einem dauerhaften komatösen Zustand und vollpflegebedürftig. Anders sei jetzt lediglich die ungewöhnliche Atmung.
Die Patientin wird verkabelt und erhält über eine Maske 8l/min O2.
EKG:SR 86/min, RR:90/50mmHg, SpO2:59%
Eine perorale Absaugung fördert reichlich Schleim und Sondenkost zutage allerdings ist die SpO2 weiterhin um 60% und die Patientin atmet unregelmässig Cheyne-Stokes-artig. In dem vorgelegten Pflegeverlegungsbericht findet sich die Telefonnummer der Tochter, die auch als gesetzliche Betreuerin aufgeführt ist. Telefonisch wird sie über den Zustand ihrer Mutter und die bisherigen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt. Trotz Erläuterung des Zustandes ihrer Mutter und der Prognose besteht die Tochter auf eine Maximaltherapie inklusive Beatmung und Intensivtherapie. Das Telefonat wird protokolliert und die Patientin gemäß des ausdrücklich geäußerten Wunsches intubiert und beatmet. Die Kreislaufsituation stabilisiert sich etwas und die SpO2 steigt auf 94% (CO2:46mmHg) Es erfolgt die Anmeldung auf einer Intensivstation eines nahegelegenen Krankenhauses, und nach Umlagerung der Patientin macht sich der Rettungstroß auf den Weg zum Fahrstuhl. Während sich die Fahrstuhltür zu schließen beginnt, kommt noch eine Altenpflegekraft angerannt, die mit den Worten "Das lag noch in der Akte und muss glaub ich mit ins Krankenhaus" einen dicken braunen Umschlag, und die Fahrstuhltür schliesst sich.
Auf dem Weg hinunter beginnt der Notarzt in den Unterlagen zu blättern, die sich in diesem Umschlag finden, und kippt beinahe hintenüber:
Es findet sich eine Betreuerurkunde eines gerichtlich eingesetzten Betreuers, der nicht identisch ist mit der Tochter. Weiterhin findet sich ein Gerichtsurteil, in dem der Tochter der Betreuerstatus aberkannt wird, weil sie wiederholt nicht im Interesse ihrer Muter gehandelt habe, sondern durch persönliche Motive geleitet stets die maximal mögliche Therapieoption vor Palliativmaßnahmen und Patientenschonung gesetzt habe. Es findet sich weiterhin ein anwaltlicher Brief, in dem die Geschwister der ebengenannten davor warnen, und es sogar ausdrücklich untersagen, ihren Anweisungen zu folgen, da sie nicht die Interessen der Mutter im Sinn habe.

Der Fahrstuhl kommt im Erdgeschoss an, die Türen öffnet sich. Die Patientin ist weiterhin beatmet und kreislaufstabil. Und nun?

2 thoughts on “Fall des Monats März 2013

  1. Ich kann ja mal sagen, was es weiterging:Ich habe die Patientin in die Klinik gebracht, und dem aufnehmenden Arzt die Problematik geschildert. Es erfolgte eine Anzeige bei der Polizei, die ich nicht weiter verfolgen konnte. Die Patientin wurde 2 Wochen beatmet und verstarb dann ohne extubiert zu werden.Wie kann man in so einem Fall vorgehen und wie sieht es medicolegal aus? Dr. med. R. Mamarvar Katholisches Krankenhaus Dortmund West

  2. Eine Anzeige gegen die Tochter zu fertigen halte ich für sinnvoll. Es sollte auch das Altenheim auf diese Situation hingewiesen werden. Wussten die von der Änderung des Betreungsstatus?

    Aufnahme der Patientin auf Intensiv und nach Rücksprache mit dem eigentlichen Betreuer Therapie nach Patientenwille. Z.B. palliative Extubation und AND-Therapie.

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