Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

Alarmierungsmeldung Freitag gegen 20:30 Uhr:

Nachforderung des RTW zu Schmerztherapie bei akutem Abdomen. 76-jähriger Mann, Z.n. Bauchoperation

Situation vor Ort / Anamnese:

Einsatz in einem Einfamilienhaus im Vorort einer Kleinstadt. Die Ehefrau des Patienten führt die RTW-Besatzung ins Wohnzimmer. Sie berichtet, dass bei ihrem Mann vor 6 Tagen eine laparoskopische Gallenblasenentfernung durchgeführt worden sei. Der postoperative Verlauf sei bis auf eine anfänglich geringfügige Wundsekretion einer Operationsnarbe (Instrumentenkanal) komplikationslos gewesen, so dass ihr Mann nach 3 Tagen aus der stationären Behandlung entlassen werden konnte. Auch der weitere Verlauf zuhause war zunächst unauffällig gewesen.  Der Appetit war bei Nahrungsaufbau mit Schonkost gut gewesen. Verdauungsprobleme hätten nicht bestanden. Der Stuhlgang war aber zuletzt etwas heller gewesen.

Am heutigen Abend hätten dann aber – bei bisher unauffälligem Tagesverlauf -plötzlich stärkere Schmerzen im Oberbauch eingesetzt (re. und mittig etwas mehr als links). Der Schmerzcharakter sei eher dumpf, keine kolikartige Schmerzverstärkung. Die Blasenentleerung am heutigen Tag ist normal und nicht schmerzhaft gewesen.

Erstbefund des RTW-Teams:

Bei adipösem Ernährungszustand ist die Bauchdecke leicht gespannt. Es ist ein mäßiger Druckschmerz im Epigastrium rechts und mittig betont feststellbar. Im rechten Oberbauch ist in Höhe und direkt unterhalb des re Rippenbogens gegenüber links eine mäßige ( ca 12  x 5 cm abmessende ) Weichteilschwellung erkennbar von weicher Konsistenz. Keine Hautverfärbung im Bereich dieser Schwellung. Kein wesentlicher Flankenschmerz und kein Nierenlagerklopfschmerz. Die Laparaskopie-Narben zeigen sich reizlos.

Blutdruck 214/130 mmHg, Puls 106 / min phasenweise leicht arrhythmisch,  Atemfrequenz : 16/ min. Sauerstoffsättigung: 96 %.

Temperatur tympanal: 37,2 °

Vom nachgeforderten Notarzt wird der Untersuchungsbefund des RTW-Teams bestätigt.

Der Patient gibt auf Anfrage an, dass seine letzte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ca. 5-6 Stunden zurückliegen würde.

Nach Anlegen eines i.v.-Zugangs wird (bei mitgeteiltem Schmerzniveau von 6-7 auf der NRS) eine analgetische Therapie mit Novaminsulfon eingeleitet. Anschließend wird das im NEF mitgeführte Sonografiegerät herbeigeholt (2-köpfiger Handheld-Scanner mit 10 Mhz- und 3,5 Mhz-Schallköpfen).

Die Ultraschalluntersuchung mit dem 10 Mhz -Scanner zeigt im Berich der rechts-epigastrischen Weichteilschwellung den folgenden Befund:

Die anschließende Ultraschalluntersuchung mit dem 3,5 Mhz -Scanner zeigt im Bereich des Epigastriums die folgenden Befunde:

Rechtes Epigastrium Transversalschnitt

Medianer Oberbauch Transversalschnitt

Verdachtsdiagnose?

Zielklinik?

Dr.med. Gerrit Müntefering

Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie

Lessingstraße 26

47445 Moers

3 thoughts on “Fall des Monats März 2024

  1. Ich würde anhand von Klinik und Ultraschallbildern zu einer akuten, biliären Pankreatitis bei Choledocholithiasis tendieren. Zielklinik wäre somit die nächste Klinik mit ERCP-Bereitschaft. Wohlmöglich deuten sich im Kopf- und Schwanzbereich auch Nekrosen an, sodass ggfs. Im Verlauf chirurgisch interveniert werden muss. Hinsichtlich der Weichteilschwellung im Oberbauch bin ich nicht ganz sicher, differentialdiagnostisch ein Serom oder ggfs. auch eine Gallenfistel mit subkutanem Depot. Die Echogenität liesse auch an einen Abszess denken, ohne Fieber und Rötung aber weniger wahrscheinlich.

  2. Hallo miteinander,
    ich finde es schwer mit Ultraschall-Standbildern zu arbeiten. Hier trotzdem meine Interpretation der Lage: Patient mit vermutlich primärem E- und sekundärem C-Problem. Die Schmerzen stehen sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten OP. Eine akute Verschlechterung könnte auf eine Nachblutung, Gallenleckage oder ein entzündliches Geschehen (postop. Infekt oder Pankreatitis) zurückzuführen sein. Die Schmerzanamnese noch etwas vertiefen (Lokalisation auch extraabdominal (Rücken, Brust, Arme, wandernd?). Die oberflächliche Schwellung im re Oberbauch kommt mir eher blande vor, die epigastr. Schnitte könnten freie Flüssigkeit und Pankreatitis zeigen. Da würde ich mich aber nicht festlegen können. Das scheint mit für das präklinische Prozedere auch nicht so entscheidend. Wichtig ist: Akuter Bauch => ab zur Allgemeinchirurgie mit Intensiv-Option. Wenn es nicht zu weit ist, am besten zu der Klinik, die den Eingriff vorgenommen hat. Die Analgesie bei Bedarf noch mit Opiaten (Pritramid oder Fentanyl) ergänzen. Das würde auch dem Blutdruck guttun. Wenn der trotz allem keine sinkende Tendenz zeigt, vorsichtig mit Ebrantil senken. Mäßige Volumengabe. Ein EKG schließen wir selbstverständlich an. Bei Auffälligkeiten erweitern wir das auf dem Weg zur Klinik noch um Brustwandableitungen. Better safe than sorry 😉

  3. Weiterer Verlauf des März-Falls 2024:

    Steffi hat sicher recht, dass Sono-Standbilder nicht einfach zu bewerten sind, aber Alex hat zielsicher den Vogel abgeschossen. Chapeau !! Steffi hat den Bauchwandbefund dann nachvollziehbar als blande angesehen. Beide Einschätzungen gingen also für Haupt- und Nebendiagnose in die richtige Richtung !!

    Der Transversalschnitt im rechten Epigastrium zeigt eine eher großlumige tubuläre Struktur mit Stop an einer (schallschatten-werfenden) echoreicheren Zone. Dieser Befund konnte auch im Rahmen der anschließenden klinischen Diagnostik einem (nach Laparoskopischer Cholezystektomie) verbliebenem Choledochus-Konkrement zugeordnet werden. Der Befund des medianen epigastrischen Transversalschnitts zeigt eine eher unscharfe und echoarme Pankreaszone, die im Rahmen der klinischen Diagnostik einer biliären Pankreatitis zugeordnet wurde.
    Siehe die neue Bilder mit erklärenden Zeichnungen im Anschluss an den Fall des Monats März auf der Webseite.

    Aufgrund der Symptomatik und dem (Konkrement- und Pankreatitis-verdächtigen) Sonobefund wurde die operierende Klinik mit hausinterner gastroenterologischer Abteilung angesteuert. Der Transportverlauf war unter Analgesie mit niedrig dosiertem Fentanyl komplikationslos.

    In der internistischen Abteilung erfolgte die Feststellung des Papillen-okkludierenden Konkrements und die Konkremententfernung per ERCP mit Stent-Einlage, woraufhin sich der abdominelle Schmerzbefund des Patienten rasch besserte.

    Die mit dem 10 Mhz-Schallkopf untersuchte epigastrische Bauchwandschwellung, die vom Patienten – in seinem anfänglich erheblichen Schmerzzustand – zunächst als Neu-Befund mitgeteilt worden war, stellte sich im Rahmen der weiteren klinischen Recherche und Hinzuziehen des viszeralchirurgischen Entlassungsbriefs der Klinik als vorbestehendes epigastisches Bauchdecken-Lipom heraus.

    Der Patient konnte nach 8 Tagen aus der stationären Behandlung entlassen werden.

    Dr.med. Gerrit Müntefering
    Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie
    Lessingstraße 26
    47445 Moers

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