DIE JAHRESTAGUNG 2016

Westdeutsche Notfalltage 22.- 23. Januar 2016

32. Jahrestagung der AGNNW

 

Besucherrekord vom Vorjahr erneut übertroffen.

Die Westdeutschen Notfalltage -zugleich die 32. Jahrestagung der AGNNW- am 22. und 23. Januar 2016 waren mit über 400 Teilnehmern die bislang erfolgreichsten der langjährigen Geschichte der AGNNW. 

Berufspolitischer Dialog mit den Ministerien

Zunehmender Beliebtheit erfreut sich der „berufspolitische Vormittag im Dialog mit den Ministerien“, diesmal mit dem Schwerpunkt „Notfallsanitäter“. Dr. Frank Stollmann vom zuständigen Gesundheitsministerium des Landes führte aus, dass das Land die Kosten der Ausbildung über den Rettungsdienstbedarfsplan refinanzierbar deklariert habe. Ein Rahmenlehrplan sei in naher Zukunft zu erwarten.

Dr. Peter-Johann May erklärte für die Krankenhausgesellschaft NRW die ausdrückliche Bereitschaft, sich an der praktischen Ausbildung zu beteiligen.

Prof. Alex Lechleuthner als Sprecher des Landesverbandes der ÄLRD ergänzte, dass sich zurzeit SOP als „einheitliche Handlungsanweisung“ in der Abstimmung zwischen Land und kommunalen Spitzenverbänden befinden.

Die Lösung des Problems der Delegation ärztlicher Maßnahmen bestehe in standardisierten Arbeitsanweisungen für Notfallsanitäter, die auf der erlernten technischen Durchführung von Maßnahmen und auf vom ÄLRD kodifizierten Indikationen aufbaue. Insbesondere  für lebensbedrohliche Situationen bestehe die Rechtsauffassung: „Lebensrettung ist nicht verbietbar.“ 

In einem zweiten Themenblock ging es um den landesweiten Klinik-Kapazitätsnachweis mit dem System IG-NRW, welches die elektronische Meldung der Auslastung von Klinikabteilungen ermöglicht und der Leitstelle einen Einblick in offene Versorgungskapazitäten über Kreisgrenzen hinweg ermöglicht.  Ministerialrat Helmut Probst vom Ministerium für Inneres und Kommunales  verwies auf die positive Streitkultur bei der Erarbeitung des Systems. Dr. May hielt die Möglichkeiten des Systems auch  aus Sicht der Krankenhäuser für überzeugend. In der Diskussion wurde von mehreren ÄLRD eine Lanze für IG-NRW gebrochen.

Zuletzt berichteten Dr. Hella Körner-Göbel und Dr. Hans-Peter Milz als Ärztekammer-Vertreter über die neu im Rettungsgesetz NRW verankerte Fortbildungsverpflichtung für Notärzte, die allerdings noch auf Ausführungsbestimmungen durch die Ärztekammern wartet. Es gehe bei der Notarzt-Fortbildung um Qualität in der Leistungserbringung. Die endgültige Struktur der Fortbildung sei noch im 1. Halbjahr 2016 zu erwarten.

Schwerpunktthema: Neue Aufgaben, neue Instrumente.

PD Dr. Andreas Bohn (Münster) stellte das kommende „Eckpunktepapier zur notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in der Prähospitalphase und in der Klinik“ vor, welches im Vergleich zur letzten Version von 2007 nun detailliertere Aussagen zu den Tracerdiagnosen Schlaganfall, Schädelhirntrauma, Polytrauma und Herzinfarkt enthält. Zusätzlich wurden die Diagnosen Sepsis und Reanimation sowie relevante pädiatrische Besonderheiten aufgenommen.

Eine standardisierte Übergabe in der Klinik vermeidet Kommunikationsschwierigkeiten zu vermeiden. Dr. Olaf Weichert (Krefeld) nannte als Lösungen die Kombination aus telefonischer Voranmeldung, einheitlichen Anmeldebögen (auf Basis des MANDAT-RD Datensatzes) und Notfallkoordinatoren als definierte Ansprechpartner in den Notaufnahmen. Wichtig sind zudem eine einheitliche Sprache und die strukturierte Informationsübermittlung.

Volker Goebel (Wuppertal) berichtete über die Erfahrungen mit einem elektronisch unterstützten Abfragesystem zur „Strukturierten Notrufabfrage“ in der Leitstelle, welches in der Lage ist, die Diagnosesicherheit der Disponenten zu verbessern.

Qualitätsmanagement im Rettungsdienst durch medizinische Datenerfassung zeigte Dr. Simon Little (Gießen). Elektronische Einsatzprotokolle mit Zugriff auf hinterlegte Versorgungskonzepte und Anamnese-Schemata sowie Integration von Patientenzuweisungs- und Rückmeldeindikationscodes ermöglichen die Auswertung großer Datensätze und ein Controlling in Echtzeit mit dem Ziel unmittelbarer Verbesserungsmaßnahmen.

Dr. Rainer Kram (Düsseldorf) erörterte die vielfältigen Aufgaben und Kompetenzen, der Leitenden Notärzte. Mangelnde Führungsausbildung und Einsatzroutine sind Probleme. Der LNA hat aber eine positive Outcome-Relevanz wenn er sich auf seine Profession beschränkt, mit schnellen Entscheidungen Prozesse optimiert und die Versorgung der Patienten in die richtigen Hände lenkt.

CO-Vergiftungen erlangen zu Recht eine immer größere Aufmerksamkeit im Rettungsdienst. Das von Dr. Hella Körner-Göbel (Wuppertal) vorgestellte das CO-Register kann nun eine bundesweite Sammlung aller relevanten Daten bieten.

Dadurch ist eine Ist-Analyse und die Generierung neuer Untersuchungshypothesen möglich.

Samstag: Sitzung I: Traumatologie

PD Dr. Claas Buschmann (Berlin) berichtete über Schwächen der notärztlichen Versorgung aus Sicht der Rechtsmedizin. Unter optimaler notärztlicher Versorgung seien 5% der Todesfälle definitiv und weitere 10% potentiell vermeidbar gewesen. Als häufigste Fehler wurden unzureichende Atemwegssicherung, insuffiziente Blutstillung (v.a. bei instabiler Beckenfraktur sowie fehlende Entlastungeines Spannungspneumothorax identifiziert.

Daten des DGU-Traumaregisters zeigten, so Prof. Dr. Rolf Lefering (Witten/ Herdecke), ein steigendes Alter der Schwerverletzten (aktuell 52 Jahre) bei unveränderten präklinischen Einsatzzeiten. Die Reanimation nach Trauma führt zu jemals ROSC in 29% und  Entlassung mit gutem neurologischen Ergebnis in 2% der Fälle.

In einem Update zu Verbrennungs- und Starkstromunfällen betonte Dr. Hans Lemke (Dortmund) die Sinnhaftigkeit einer initialen Kühlung des wachen Patienten mit lauwarmem Wasser durch Laien, nicht aber durch den Rettungsdienst. In der Polytraumaversorgung trete die Behandlung der Verbrennung gegenüber anderen lebensrettenden Interventionen zurück.

Prof. Thomas Weber (Bochum) unterstrich die Notwendigkeit eines systematischen Vorgehens (z.B. ABCDE-Schema) im Einsatz. Mit Blick auf den kritischen Traumapatienten betonte er die sichere Beherrschung von Koniotomie, Thoraxdrainage, Beckenschlinge und als Perspektive gegebenenfalls auch Perikardpunktion unter sonographischer Kontrolle.

Samstag: Sitzung II: Klinische Differentialdiagnose am Einsatzort

Prof. Uwe Janssens (Eschweiler) stellte prägnant die Differentialdiagnose der Dyspnoe dar. Als häufigstes Notfallsymptom hat sie eine höhere Sterblichkeit als vorrangig kardiale oder abdominale Symptome. Mit Erfassung der Anamnese und des klinischen Erscheinungsbildes lassen sich die relevanten Ursachen der Dyspnoe erfassen. So ist die Atemfrequenz z.B. eng mit der Sterblichkeit korreliert.

Wichtige Informationen zum Schlaganfall lieferte Prof. Andrew Chan (Bochum). Die Lokalisation eines Stroke ist bereits präklinisch möglich. Muskelparesen und Aphasien (vorderer Kreislauf) sowie Sehstörungen und  (Hemi-) Hypästhesien (hintere Strombahn) sind zu erfassen. Für den Hirnstamm gilt der 4-D-Merksatz: Diplopie, Dysphagie, Dysarthrie, Dizziness. Vigilanzstörung und Progredienz der Symptome sind hinweisend auf eine Basilaristhrombose.

Grundsätzlich kommen alle Patienten mit Symptomatik <6h für eine Lyse in Betracht. Eine Katheterthrombektomie ist eine nachgewiesen sinnvolle neue Therapieoption.

Wenngleich ein Notarzt bei komplizierten Situationen und Verläufen absolut Sinn hat, sollte die Zeit bis zur klinischen Versorgung in einer Stroke-Unit nicht unnötig verzögert werden.

Prof. Gerhard A. Wiesmüller (Köln) berichtete über die Erfahrungen des Gesundheitsamts Köln mit der Versorgung von Asylanten.

Durch ein Sprechstundenangebot konnte eine Verminderung der Anzahl akuter Rettungsdiensteinsätze erreicht werden.

Die häufigsten Infektionsfälle verteilten sich auf Windpocken, Tuberkulose (davon selten offene Tbc) und an 3. Stelle Hepatitis B. Während sich der Anteil der Flüchtlinge mit Tbc am Gesamtvorkommen verdreifachte, ist die Rate an Infektionskrankheiten insgesamt nicht merklich erhöht.

Samstag: Sitzung III: Reanimations-Leitlinien

In der dritten Sitzung des Tages bildeten die neuen ERC-Reanimationsleitlinien den Schwerpunkt. Prof. Bernd W. Böttiger (Köln) als GRC-Vorsitzender stellte dem Auditorium die Inhalte der Leitlinien zur Reanimation vor und zeigte auch die Hintergründe zu den Empfehlungen auf.

Im zweiten Vortrag mit dem Titel „Objektive Entscheidungen bei der CPR – Maximaltherapie oder Abbruch nahm sich der AGSWN-Vorsitzende Prof. Matthias Fischer (Göppingen) eines extrem schwierigen Themas an. Fischer gelang es, dem Auditorium hilfreiche Hinweise zu dieser häufig von Notärzten zu fällenden Entscheidung zu geben.

PD Dr. Clemens Kill (Marburg) zeigte auf, wie sich eine optimierte Versorgung Reanimierter durch „Cardiac Arrest Center“ umsetzen lässt, deren Einrichtung in den neuen ERC-Leitlinien empfohlen wird.

Ideenpreis

Mit dem zum zweiten Mal verliehenen und mit 1000 Euro dotierten Ideenpreis der AGNNW wurde dieses Jahr das Projekt "Mobile Retter" ausgezeichnet, welches über ein App- gestütztes Ortungs- und Alarmierungssystem medizinisch qualifizierte Ersthelfer (z.B. Krankenschwestern, Pfleger, Sanitäter, Feuerwehrkräfte oder Ärzte) parallel zum Rettungsdienst zum Notfallort entsendet, um dort lebensrettende Sofortmaßnahmen zu beginnen. Derartige Systeme werden in den  Leitlinien des ERC  empfohlen

Workshops

8 ausgebuchte und praxisorientierte Workshops rundeten das überaus erfolgreiche Programm ab.

Dr. Thomas Jakob

2. stellv. Vorsitzender der AGNNW

 

 

Impressionen der Jahrestagung 2016

 

AGNNW Jahrestagung:
Das Maternus-Haus mitten in Köln ist seit Jahren Veranstaltungsort der "Westdeutschen Notfalltage – Jahrestagung der AGNNW", die in diesem Jahr zum 32. Mal stattfinden.
http://www.agnnw.de/wp-content/uploads/2016/01/maternushaus_nef-1.jpg
AGNNW Jahrestagung:
Dr. Peter Gretenkort, der Vorsitzende unserer Arbeitsgemeinschaft, eröffnet das "Wissenschaftliche Programm".

 

Dr. Hans-Peter Milz für die Ärztekammer Westfalen-Lippe
Neun Experten diskutierten im Rahmen des berufspoltischen Vormittags aktuelle Themen. Unter anderem die Fortbildungsverpflichtung für Notärzte nach dem RettG NRW und die Umsetzung der Notfallsanitäter-Ausbildung.
Wieder einmal eine Rekord-Teilnehmerzahl! Voller Saal bei der Jahrestagung in Köln…
"Flüchtlinge: Was muss der Notarzt wissen?" Aktuelles Thema bei unserer Jahrestagung – Prof. Wiesmüller aus Köln spricht.

Der Ideen-Preis der AGNNW geht im Jahr 2016 an das Projekt "Mobile Retter!"

Die "Mobilen Retter" wurden mit dem mit 1000 Euro dotierten „Ideen-Preis der AGNNW“ ausgezeichnet:
Beim plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand oder bei Bewusstlosigkeit ist eine schnelle, professionelle, medizinische Hilfe oft lebensentscheidend für den in Not geratenen Menschen. Über ein innovatives, App-gestütztes Alarmierungssystem kann jetzt zeitgleich zum Notarzt ein sich möglicherweise zufällig in unmittelbarer Einsatznähe befindlicher, medizinisch qualifizierter Ersthelfer über sein Smartphone aufgespürt und alarmiert werden.
mehr…

Marc Zellerhoff stellt das AGNNW-Kompendium als AGNNW-App vor. Die AGNNW-App steht kostenlos in den App-Stores zur Verfügung. Besonderen Dank ging an den Programmierer Herr Tobias Schellhorn.

Impressionen der Industrieausstellung
  AGNNW Jahrestagung:
Unsere Jahrestagung ist zu Ende und wir freuen uns schon auf das nächste Jahr! Danke an alle Vortragenden, an unser Organisations-Team, an unsere Preisträger, die "mobilen Retter" und an alle Gäste!
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