Fall des Monats Dezember 2013

Alarmierungsmeldung:

Nicht ansprechbare Person in einer Behinderteneinrichtung  Verdacht auf Krampfanfall

 

Situation vor Ort / Angaben zur Vorgeschichte :

6 min nach Alarmierung Eintreffen des NEF und RTW in der Behinderteneinrichtung. Der wohnbereichsleitende Pfleger führt das Rettungsteam in den Speisesaal der Einrichtung.

Er berichtet, dass bei einem seit einer Woche neu aufgenommenen 16-jährigen Jugendlichen mit psychomotorische Entwicklungsverzögerung nach in der Kindheit abgelaufener Meningitis / Meningoenzephalitis bereits seit zwei Tagen Bauchschmerzattacken, verbunden mit Übelkeit bestanden hätten.

Aufgrund dieser Beschwerden habe man die vom Neuropädiater verordnete antikonvulsive Dauermedikation mit Valproinsäure nicht sicher verabreichen können. Aufgrund der anhaltenden Symptomatik habe man habe den Hausarzt informiert. Der Allgemeinmediziner seit vorgestern zum Hausbesuch in der Einrichtung erschienen. Der Hausarzt habe aufgrund einer Gastroenteritis eine Kombination aus homöopathischen und schulmedizinischen Mitteln verordnet. Hierunter sei dann seit gestern abend bereits eine leichte Besserung eingetreten. Auch die Übelkeit habe nachgelassen

Jetzt habe der 16-jährige Jugendliche beim Abendessen dann plötzlich zu zittern angefangen. Er habe dabei starr nach oben geblickt. Die Muskulatur sei tonisch verkrampft gewesen. Aufgrund dieser Kampfsymptomatik habe man sofort den Rettungsdienst alarmiert, da –wie oben erwähnt – die korrekte Verabreichung und der Wirkspiegel der antikonvulsiven Medikation fraglich sei.

Der Jugendliche ist aufgrund dieser Symptomatik mit mehreren Hilfskräften auf eine breite Liege mit mehreren Kissen transferiert worden.

 

Erstbefund:

Bei dem Jugendlichen ist eine mäßige Überstreckstellung der Halswirbelsäule und des Kopfes erkennbar. Die Arme sind eher an den Körper herangeführt und weisen einen erhöhten Muskeltous auf. Der Blick des Jugendlichen ist leicht nach oben gerichtet. Eine Pupillendifferenz besteht nicht. Pupillenreaktion auf Licht und Konvergenz prompt. Kein Nystagmus . Der Jugendliche reagiert auf Ansprachen leicht verlangsamt und einsilbig, jedoch noch adäquat. Keine Artikulationsstörung bei leicht verwaschenem Sprachbild, das aber bereits seit Heimaufnahme vorbekannt ist. Kein Einnässen. Kein Zungenbiss der leicht hervorgestreckten Zunge.

Prüfung der Vitalparameter: RR : 120 / 70 mmHg Puls :80 / Min rhythmisch. SaO²: 93 %

BZ-Stix : 106 mg/dl

Periphere Sensibilität der oberen und unteren Extremität regelrecht. Bei erhöhtem Muskeltonus der Extremitäten sind keine sicheren Paresen nachweisbar. Adäquate Reaktion auf periphere Reize. Muskeleigenreflexe leicht verstärkt.

 

Weiteres Vorgehen ?

Arbeitsdiagnose ?

Zielklinik ?

One thought on “Fall des Monats Dezember 2013

  1. Auflösung zum Fall des Monats Dezember 2013

    Es wird ein Krankenhaus mit neurologischee Abteilung angefahren.

    Der Transport verläuft unauffällig, wobei der Jugendliche weiterhin auf Ansprachen leicht verlangsamt und einsilbig reagiert. Der erhöhte Muskeltonus der oberen Extremität lässt im Rahmen des Transports leicht nach.

    Noch am gleichen Tag wird vom weiterbehandelnden Klinikarzt Telefon-Kontakt zum Hausarzt aufgenommen. Der Hausarzt des Jugendlichen berichtet, dass er dem Patienten aufgrund seiner Gastroenteritis Metoclopramid veordnet und aus seinem Eigenbestand auch bereits gegeben hatte. Eine Dosierung von bis zu 4 mal / Tag wurde angeraten.

    Dieses Medikament habe der Junge bei noch weiterbestehender Übelkeit dann offensichtlich mehrmals in kurzer Abfolge eingenommen.

    Somit konnten die beschriebenen neurologischen Aufälligkeiten mit Dyskinesien mit hoher Wahrscheinlichkeit der Metoclopramid-Gabe zugeordnet werden.

    Kurze Erklärung zu dieser unerwünschten Nebenwirkung :Über die gehemmte Dopaminaktivität erfolgt durch Metoclopramid eine Enthemmung der cholinergen Effekte, was zu extrapyramidalen Störungen (Dyskinesien) führen kann.

    Therapie in der Klinik: Unter Gabe von Akineton hat sich die Verkrampfung der Muskulatur sofort verringert.

    Es handelt sich hier also um eine charakteristische Nebenwirkung von Metoclopramid,  die mit Akineton antagonisierbar ist.

    Die Fallklärung durch den erstversorgenden Notarzt war aufgrund der vorbekannten Krampfneigung des Jugendlichen und der vorort noch nicht realisierbaren Kontaktaufnahme mit dem Hausarzt erschwert gewesen.

     

    Dr. Gerrit Müntefering

    Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin

    Lessingstraße 26

    47445 Moers

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