Fall des Monats Januar 2021

Alarmierungsmeldung am Montag um 20:30 Uhr:

Gestürzte männliche Person auf Straße mit Bewusstseinstrübung.

Der RTW trifft 1 Minute vor dem NEF am Einsatzort ein. Ein ca. 50-jähriger Mann ist vom Anrufer auf der Straße liegend angetroffen worden und hat zunächst nicht auf Ansprache reagiert. Beim Eintreffen des RTW ist der Patient jedoch wieder bei Bewusstsein und hat sich kurz vor Eintreffen der Notfallsanitäter in die sitzende Position gebracht. Er hat Verletzungsspuren an Gesicht und Hinterkopf. Gefragt nach dem Ereignishergang besteht bei dem 50-jährigen Mann zunächst eine Amnesie. Der Gestürzte trägt Jogging-Kleidung. Er kann sich auf Abfrage auch erinnern, am Abend seine Wohnung zum Joggen verlassen zu haben.

Befund der Erstuntersuchung:

Kein A-Problem

kein B-Problem. Sauerstoffsättigung 94%. Lunge auskultatorisch beidseits gut belüftet bei Vesikuläratmen. Seitengleiche Thoraxexkursion bei Inspiration und Exspiration.

Blutdruck 130/90 mmHg Puls 130 /min mit rhythmischer Herzaktion.

Im äußeren Randbereich der rechten Augenbraue ist eine ca 1,5 cm lange nicht klaffende Platzwunde sichtbar mit mäßiger Schwellung im lateralen Periorbitalbereich . Im Bereich des behaarten Schädels rechts parietookzipital ist außerdem eine oberflächliche gering blutende Schürfwunde ohne stärkere Schwellung feststellbar. Pupillen mittelweit isocor Reaktion auf Licht und Konvergenz prompt. Bei der Inspektion der Mundhöhle unauffälliger Zahnstatus. Keine Hinweise auf einen Zungenbiss.

Die orientierende Untersuchung der Wirbelsäule und Extremitäten ergibt keine Hinweise auf ein abgelaufenes Trauma in dieser Region.

Die Joggingjacke und -hose sind mäßig durchfeuchtet. Der Gestürzte für sicherlich 8 Minuten bei leichtem Regen auf der regennassen Straße gelegen (Bei Inspektion der Unterwäsche ist eine Enuresis nicht erkennbar)

Apparative Erstdiagnostik:

Das abgeleitete EKG ergibt den nachfolgenden Befund :

 

Bei der Herzauskultation ist ein Systolikum mit Punctum maximum über dem 2. ICR rechts hörbar, Fortleitung des Systolikums in die Karotiden. Kardiale Vorerkrankungen sind bei dem Patienten nicht bekannt.

Die Ursache der Synkope des Patienten ist bei unauffälliger Vorgeschichte – nach wie vor –  unklar.

Der Patient berichtet, dass er am heutigen Tag das Lauftraining nach fast 3-jähriger Sportpause erstmals wieder aufgenommen habe. Der Patient kann sich nun erinnern, dass er beim heutigen Joggen bereits nach kurzer Laufdistanz wiederholt ein Herzstolpern / Palpitationen verspürt habe und daraufhin eine Gehpause eingelegt hätte.

 

Eine rhythmogene Synkope bei Bradykardie, kurzfristigen Asystolie und/oder einem Blutdruckabfall wäre somit nicht auszuschließen..

Es ist nuneine zunehmende Tachykardie erkennbar mit Frequenz um 150- 160 /min.

Aufgrund dieser progredienten Tachykardie und bei bisher unklarer Synkope wird kurzzeitig ein Carotissinusdruckversuch durchgeführt.

Daraufhin kann unmittelbar im Anschluss das folgende EKG abgeleitet werden :

 

Erstbehandlung:

Anlage eines intravenösen Zugangs und Infusion von 500 ml kristalloider Lösung.

Bei der EKG-Kontrolle 5 Minuten später wird erneut der Befund des ersten EKG’s  abgeleitet. Frequenz bei 120 -130 / Min.

 

Arbeitsdiagnose?

Weiteres Procedere?

 

Dr.med. Gerrit Müntefering

Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie

Lessingstraße 26

47445  Moers

2 thoughts on “Fall des Monats Januar 2021

  1. Guten Morgen.
    Bis ich die EKG´s geshen habe dachte ich unmittelbar, kardiogenen Synkope bei bisher nicht erkannter Aortenstenose, aber mit den EKG´s wird´s für mich echt schwierig. Intial EKG mit überdrehtem Rechtstyp und Linksschenkelblock würde mich an einen links posterioren Hemiblock denken lassen. Warum dieser sich auf eine Carotissinusdruck hin ändert, ist mir völlig unklar. Im zweiten EKG dann immer noch überdrehter Rechtslagetyp und keine Linkshypertrophie-Zeichen. Passt zur Aortenstenose so gar nicht. Die ST Strecke in den lateralen Ableitungen von beiden EKG`s sind nicht ganz isoelektrisch. Im zweiten EKG ist in Ableitung III eine Epsilon-Welle zu vermuten, könnte mit dem überdrehten Rechtslagetyp für arryhtmogene rechtsventrikuläre Dysplasie sprechen. Bin echt auf die Auflösung gespannt. Würde den Patienten in die nächst erreichbare Klinik mit der Möglichkeit eines raschen Echo´s und der Option der Notfall PCI sowie eines Schädel-CT´s verlegen. Während Transport erstmal keine weitere Medikation. Wenn Tachykardie zunehmend oder hämodynamisch relevant primär Beta-Blocker.

  2. Weiterer Verlauf des Januar-Falls 2021

    Besten Dank an Claus Christians für seine sorgfältige Fall- und EKG-Analyse.
    Entsprechend seiner Empfehlung ist in unserem Fall auch eine Klinik mit kardiologischer Abteilung (Coronarangiographie-Option) und neurologischer Abteilung (CCT- Option) angefahren worden.
    Der Transport des Patienten verlief unauffällig. Das Linksschenkelblockbild war weiterhin nachweisbar mit einer Frequenz von 120-130/min.
    Bei der kardiologischen Untersuchung des Patienten in der Notaufnahme der Klinik zeigte sich echokardiographisch eine doch höhergradige Aortenklappenstenose, die im Vorfeld offensichtlich nicht bekannt gewesen war. Der weiterbetreuende Krankenhaus-Kardiologe berichtete bei einer kurzen telefonischen Rücksprache am Folgetag über das auch im weiteren Verlauf wiederholt erkennbare Bild eines „intermittierenden Linksschenkelblocks“. Das oben dokumentierte wechselnde Bild der beiden letzten EKG’s hatte sich in der stationären Überwachungsphase noch mehrfach wiederholt.
    Am 3.Tag des stationären Aufenthaltes klagte der Patient über mäßige frontal betonte Kopfschmerzen. Ein daraufhin veranlasstes Schädel-CT ergab den Befund einer kleinen subcortikalen Hirnblutung frontal und temporoparietal ohne begleitendes Hirnödem. Vom neurochirurgischen Konsiliarius wurde in diesem Zusammenhang kein Handlungsbedarf gesehen.
    Bei vorliegender Aortenklappenstenose III Grades wurde mit dem Patienten über die Notwendigkeit einer Aortenklappenintervention gesprochen.

    Weitere Verlaufsinformationen waren dann leider nicht mehr erhältlich.

    Dr.med. Gerrit Müntefering
    Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie
    Lessingstraße 26
    47445 Moers

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