Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

Alarmierungsmeldung am Freitag um 19:30 Uhr:

Kollabierte Person in Wohnung.

Situation vor Ort:

NEF und RTW treffen fast zeitgleich am Einsatzort, einem Mehrfamilienhaus im Innenstadtbereich ein.

Die Anruferin (Schwester des Notfallpatienten) führt uns in die Parterrewohnung. Bei ihrem Bruder hatte vor ca. 2-3 Jahren eine psychotische Episode mit Unruhezuständen bestanden die unter fachärztlicher Behandlung und Melperon- und Sertralin-Medikation anschließend zufriedenstellend behandelt werden konnte. Die Medikation konnte anschließend abgesetzt werden. Am heutigen Abend sei sie nun von ihrem Bruder angerufen worden.

Ihr Bruder habe berichtet, dass er seit einigen Tagen im beruflichen und privaten Bereich eine erhebliche Stresssituation ausgesetzt gewesen sei. Aufgrund der hierbei aufgetretenen Unruhezustände habe er daraufhin nun 6-7 Tabletten von der noch vorhandenen Melperon-Medikation eingenommen.

Kurze Zeit später hätte er dann ein Gefühl der Atemnot verspürt. Daraufhin hatte er seine Schwester angerufen. Gerade als seine Schwester in der Wohnung eintraf, kollabierte der Patient ohne nachfolgendes Sturztrauma, da sich die Couch in unmittelbarere Nähe befand.

Situation vor Ort:

Ein 27-jähriger Mann wird auf der Couch sitzend angetroffen. Der Patient ist wach und hebt den Kopf in Richtung Notarzt, als der ihn nach seinem Befinden befragt.

Die Antwort des Patienten ist stockend mit immer wieder auftretenden Sprechpausen. Er gibt an das er phasenweise schlecht Luft bekäme.

Eine Zyanose ist zunächst nicht feststellbar.

Erstbefund und weitere Befundentwicklung:

Die Atemfrequenz liegt bei 10 Atemzügen pro Minute. Sauerstoffsättigung 98%.

Der Radialis-Puls ist gut tastbar. Blutdruck 120/80 mmHg, Puls 118/min mit rhythmischer Herzaktion.

Das abgeleitete EKG zeigt eine Schmalkomplex-Tachykardie um 120 /min ohne weitere Auffälligkeiten.

Die sofort eingeleitete Klärung bezüglich der möglicherweise eingenommenen Melperon-Menge ergibt für das vor Ort vorhandene Melperon-Präparat mit 100 mg eine maximal nachvollziehbare Dosis von 600-700 mg. Butyrophenon.

Diese Dosis würde bei dem vom Aspekt her untergewichtigen Patienten (Körpergewicht angabegemäß 60 kg ) nahe an der gefährlichen Dosis von 10 mg/kg Körpergewicht liegen.

Ein Telefonat mit der Giftnotrufzentrale kommt bei 3-maligem Gesprächsabbruch und unklarer schlechter Netzanbindung in der Innenstadtregion nicht zustande.

Zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung tritt dann plötzlich ein stockender Atemrhythmus des Patienten auf. Insbesondere bei der Einatmung tritt plötzlich ein Stopp in der Inspirationsbewegung auf, wobei der Patient anfänglich auch blau anläuft. Auf ein Kommando des Notarztes weiter einzuatmen, dass durch Klopfen mit der flachen Hand im Schulterblattbereich unterstützt wird, kann dieser Inspirationstopp gelöst werden.

Es erfolgt eine kurze Besprechung hinsichtlich des weiteren Vorgehens im Team . Kurzes Rekapitiulieren des im NEF für Intoxikationen mitgeführten Medikationsspektrums, die annähernd der „Bremer Intoxikationsliste“ entspricht.

Die „Bremer Intoxikationsliste“ zur Erinnerung:

– Atropin (100 mg)

– 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)

– Naloxon

– Toloniumchlorid

– Aktivkohle

Eine dann aufgetretene zweite gleichartige Attacke der Atemstörung kann ebenfalls durch engagierte Aufforderung zum „Weiter-Atmen“ mit entsprechendem Klopfstimulus auf den Rücken beendet werden.

Es treten in der Folgezeit mehrere derartige Atemstörungen auf. Die nächste Klinik mit freien Intensivbetten liegt in 25-minütiger Entfernung.

Einordnung der Symptomatik?

Weiteres Procedere?

Dr. Gerrit Müntefering

Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin

Lessingstr. 26

47445 Moers

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