Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

Im März 2024 wurden RTW und NEF zu einer laufenden Reanimation auf einer öffentlichen Straße gerufen. Bei Eintreffen der Rettungsmittel hatten Passanten bereits mit der Laienreanimation begonnen, konnten aber nur wenig Informationen zum Patienten und der Ursache des Herz-Kreislaufstillstandes geben. Der 55-jährige Patient sei auf dem Weg von seiner Wohnung zur Wohnung seiner Mutter plötzlich kollabiert und aufgrund des Kreislaufstillstandes reanimiert worden. Die Wegstrecke zwischen beiden Wohnungen beträgt nur wenige hundert Meter, und der Patient kollabierte bei mäßigem Gehtempo. Der eigentliche Kollaps wurde nicht beobachtet, es handelte sich jedoch sicher nicht um einen Unfall, einen Stolpersturz oder ein generalisiertes Krampfereignis.

Die Alarmierung der Rettungsmittel erfolgte 7:41 Uhr. Der RTW war um 7:47 Uhr vor Ort, das NEF um 7:50 Uhr. Initial ableitbarer Rhythmus war eine Asystolie. Herzdruckmassage (HDM) und Maske-Beutel- Beatmung waren zu diesem Zeitpunkt suffizient. Zugang erfolgte über die V.jug.ext. links mit 18G-Verweilkanüle. Die sichere intravasale Lage wurde durch passives Zurücklaufen des Blutes kontrolliert. Unmittelbar danach erfolgte die Intubation mit Hilfe eines Videolaryngoskops. Bei guter Sichtbarkeit der Stimmritze POGO 100% (POGO = Percentage of glottic opening (Glöttisöffnung in Prozent) während der Intubation) war die Intubation problemlos möglich. Einen Anhalt für eine Aspiration gab es nicht.

Die korrekte Tubuslage wurde bei 21cm ab Zahnreihe bestätigt. Auskultatorisch war die Lunge zu diesem Zeitpunkt beidseits belüftet. Es fanden sich grobblasige RG´s. Das endtidale CO2 betrug bei der Kapnometrie 23mmHg. Nach der Intubation trat mit der ersten Beatmung viel dunkler, bräunlich verfärbter glasiger Schaum aus. Daraufhin wurde ausgiebig endotracheal abgesaugt.

Die weitere Reanimation erfolgte entsprechend den aktuellen ERC-Guidelines. Insgesamt wurden fünf Dosen Suprarenin zu jeweils 1mg i.v. verabreicht, und ca. 100ml VollelektrolytlösungInfusion zum Offenhalten des Zugangs. Nach 20 Minuten wurde die Reanimation entsprechend den Leitlinien (Termination of Resuscitation; TOR) eingestellt, da zu keinem Zeitpunkt ein defibrillierbarer Rhythmus oder Return Of Spontaneus Circulation (ROSC) erreicht wurde.

Von der Mutter konnte in Erfahrung gebracht werden, dass der Patient vor mehreren Jahren ein SHT mit Frontalhirnbeteiligung erlitten hatte, das in einem HOPS resultierte. Neu diagnostiziert war vor wenigen Monaten eine intrakranielle Zyste, die in den nächsten Wochen hätte operiert werden sollen. Ein selbstständiges Leben war eingeschränkt möglich. An weiteren Vorerkrankungen waren ein art. Hypertonus, eine Hypothyreose (klin. euthyreot), und eine benigne Prostatahyperplasie bekannt. Kardiale Vorerkrankungen, insbesondere Herzinsuffizienz, hatte der Patient nicht. Der Patient hatte folgende Dauermedikation: Flupentixol (5mg/d oral), Quetiapin (300mg/d oral), Sertralin (100mg/d oral), Biperiden (2mg/d oral), Tamsulosin (0,8mg/d oral), Ramipril (5mg/d oral) und Euthyrox (100µg/d oral).

Ursache des hier beschriebenen Verlaufs?

Dr. med. univ. Richard Adler
Facharzt für Anaesthesie
Sürther Hauptstr. 214
50999 Köln

Dr.Richard.Adler@web.de

3 thoughts on “Fall des Monats Mai 2025

  1. Guten Morgen

    bei dem Fall kommen mir zwei bis drei Ideen für die Ursachen des Herzkreislaufstillstandes in den Sinn – allerdings nur in Zusammenschau mit der erhobenen Fremdanamnese.

    Zum einen denke ich bei einem intrakraniellen Prozess an
    – Hirndruck mit Atemstillstand
    – Neurogenes Lungenödem (wozu auch klinisch die Befunde des abzusaugenden Sekretes passen könnten); DD Lungenarterienembolie (allerdings keine wirklichen klinischen/anamnestischen Hinweise)
    Zum anderen denke ich bei der Medikamentenanamnese an
    – QTc-Zeit Verlängerung, da der Patient mehrere QTc-Zeit verlängernde Pharmaka einnimmt (allerdings besteht diese Medikation jawohl schon länger, also eher unwahrscheinlich).

    Zum Ablauf der Reanimation gibt es meiner Meinung keine kritikwürdigen Anmerkungen. Sofern verfügbar, wäre noch ein Ultraschall bzgl. Rechtsherzbelastungszeichen und Hinweise auf TVT mgl. um den massigen Verdacht auf eine LAE zu erhärten. Allerdings zeigen ja viele Patienten unter Reanimation im Verlauf Rechtsherzbelastung-Zeichen.

  2. Hallo zusammen,

    das schaumige Sekret aus dem Tubus lässt auch aus meiner Sicht an ein Lungenödem denken. Soweit ich als nicht-Neurologe weiß, steht das neurogene Lungenödem in der Regel in Zusammenhang mit einem akuten ICP-Anstieg und damit verbundender massiver Kreislaufrekation. Möglicherweise kam es auch zu einem unerwarteten schnellen Wachstum der bekannten Hirnzyste (DD Einblutung), die einen (sub-)akuten Hirndruckanstieg verursacht haben könnte?
    Differentialdiagnostisch denke ich auch an ein toxisches Lungenödem. Interessant wäre hier noch zu wissen, ob der Patient (v.a. inhalativ) Drogen konsumiert hat oder ggfs. Kontakt mit anderen Giftstoffen (Gartenarbeit?) gehabt hat. Kardial scheint bei der diesbezüglich blanden Anamnese eher unwahrscheinlich, jedoch schließe ich mich meinem Vorredner in der pot. Gefahr der QT-zeit Verlängerung durch die Psychopharmaka an.
    Möglicherweise ist auch der Cocktail an Psychopharmaka ein Problem, die Kombinationen aber aus meiner (bescheidenen) psychiatrischen Erfahrung nicht unüblich.

    Liebe Grüße

  3. Auflösung zum Fall des Monats Mai 2025:
    Besten Dank für die beiden qualifizierten Kommentare im Forum. Und beide Kommentare gingen in Richtung Lungenödem und … Chapeau!! …. Alex hat die Nuss geknackt!

    Die Ursache für den Herz-Kreislaufstillstand war eine Hypoxie auf Grund des Lungenödems bei vermuteter toxischer Schädigung der Lunge durch Quetiapin.
    Die weiteren möglichen Ursachen eines Herz-Kreislaufstillstandes wären massive Hypovolämie, die hier ausgeschlossen werden kann. Starke Hypothermie, die ebenfalls ausgeschlossen werden kann, da die Liegedauer bei frühlingshaften Temperaturen und vollständig bekleidetem Patienten nur wenige Minuten betrug. Für eine Hypo- oder Hyperkaliämie fehlen uns Anhaltspunkte wie Dialysepflicht, bekannte Nierenerkrankungen, oder starke und hoch dosierte Schleifendiuretika. Eine Herzbeuteltamponade erscheint uns ebenfalls unwahrscheinlich, da kein vorausgehendes Trauma bekannt war. Eine Tamponade im Rahmen einer Perikarditis setzt eine zumindest über mehrere Tage andauernde Entzündungsreaktion voraus, für die ebenfalls anamnestisch kein Anhalt zu finden war. Eine Intoxikation vermuten wir indirekt durch die Einnahme von Quetiapin und die Ausbildung eines toxischen Lungenödems, das dann über die Hypoxie zum Herz-Kreislaufstillstand führte. Eine Thromboembolie ist denkbar, da durch ein embolisches Geschehen in der Lunge, oder im Rahmen eines Myokardinfarktes ein kardiales Lungenödem entstehen kann. Dieses Geschehen kann plötzlich eintreten, dass durch die akute myokardiale Insuffizienz entstehende Ödem wäre aber weiß und glasig, im Gegensatz zu dunkel-bräunlich wie bei unserem Patienten. Im Rahmen eines Spannungspneumothorax als Ursache eines Herz-Kreislaufversagens entsteht kein Lungenödem. Außerdem war nach der Intubation die Lunge beidseits gleich belüftet, und der Thorax hob sich beidseits gleich.

    Diskussion: Die Behandlung eines HOPS entspricht bei gegebener Symptomatik der einer schizoaffektiven Psychose. Für eine optimale Balance bzgl. Wirkung, Nebenwirkungen und besonderer Symptomatiken kann die Kombination verschiedener Psychopharmaka nötig sein. Eine solche Kombination kann aus einem typischen Neuroleptikum, einem atypischen Neuroleptikum und einem Selektiven Serotonin Reuptake Inhibitor (SSRI) bestehen. Auslöser eines toxischen Lungenödems sind meist Gase, oder Chemotherapeutika. Ein Lungenödem aus kardialer Ursache oder im Rahmen eines Serotoninsyndroms ist bei fehlender kardialer Vorgeschichte und fehlender Tachykardie, hypertensiver Entgleisung, Schwitzen oder Unruhe sehr unwahrscheinlich. Ein Lungenödem durch toxische Myokarditis ist bei Quetiapin denkbar. Auch eine Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Psychopharmaka lässt an Herzrhythmusstörungen durch QT-Verlängerung oder Tachykardie denken. Aber in diesen Fällen kommt es durch das Pumpversagen ebenfalls zu einem kardialen Lungenödem. Dazu kommt noch die morphologische Erscheinung des austretenden Schaums. Ein kardiales Lungenödem zeichnet sich durch weißen, glasigen Schaum aus. In unserem Fall war der Schaum jedoch dunkel-bräunlich, hämatinartig verfärbt. Es stellt sich die Frage, wie es zu dieser morphologischen Erscheinung der Ödemflüssigkeit kam. Die Farbe erinnerte an Hämatin, was jedoch meistens durch Einwirkung von Magensaft und Bildung von Fe3+ entsteht. Für eine Aspiration hatten wir keinen Anhalt, da bei der Einstellung des Larynx im Rahmen der Intubation weder Speisereste noch Magensaft im Rachen festgestellt wurde. Selbst wenn durch eine unerkannte Aspiration Magensaft in die Lunge gelangt wäre, stellt sich die Frage, wie das dadurch denaturierte Blut in die Alveolen gelangt ist. Bei einem toxischen Lungenödem kommt es zu einer Zerstörung des Endothels und zu einem Übertritt von Blut in die Alveolen. Daher kommt es bei einem toxischen Lungenödem beim Lebenden durch die Oxygenierung zu einer fleischwasserartigen Färbung der Ödemflüssigkeit. In unserem Fall war das Blut durch den Herz-Kreislaufstillstand maximal desoxygeniert, und dunkel. Durch die Verdünnung in der weißlich glasigen Ödemflüssigkeit kann ein dunkel-bräunlich hämatinartiger Eindruck entstehen.

    Quetiapin wird in Leber und Lunge über CYP450 3A4 abgebaut, die übrigen Medikamente jedoch hauptsächlich über weitere CYP450 Enzyme, so dass Wechselwirkungen unwahrscheinlich sind. Eine Sättigung des CYP450 3A4-Abbaus ist wenig wahrscheinlich, da die Sättigungsgrenze selbst bei Faktoren wie alimentärer Fettleber und eingeschränkter metabolischer Funktion unter der gegebenen Tagesdosis von 300mg/d oral nicht erreicht wird.

    Ob, und unter welchen Voraussetzungen dabei cytotoxische Metaboliten entstehen können ist unbekannt. Es existieren mehrere Fallberichte über pulmonale Nebenwirkung von Quetiapin, bei einer Nebenwirkungsrate von bis zu 2,8%. In den bekannten Fällen steht das Lungenödem mit respiratorischer Insuffizienz in einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der ersten Gabe von Quetiapin, oder einer starken Überdosierung. In den publizierten Fallberichten konnte die eigentliche Ursache, der Pathomechanismus, nicht geklärt werden. Es bestand nur ein starker Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Gabe des Medikamentes, dem Eintritt der respiratorischen Insuffizienz und morphologischen Veränderungen im Röntgenbild im Sinne einer interstitiellen Pneumonie. Es muss jedoch nicht immer ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Auftreten einer schweren Nebenwirkung, und einem verabreichten Medikament bestehen. Ein Beispiel ist das Quinke-Ödem bei der Gabe von ACE-Hemmern. Diese teils lebensbedrohliche Nebenwirkung kann auch erst Jahre nach der ersten Gabe von ACE-Hemmern auftreten. Es kann ein einmaliges Ereignis bleiben, oder mehrmals auftreten. Für Quetiapin gibt es im Tierversuch den Nachweis eines myokardialen Zelltodes bei Mäusen. Die Tiere zeigen erst nach 21 Tagen kontinuierlicher Quetiapin-Infusion Zeichen von Entzündung und Fibrosen am Herzmuskel. In unserem Fall ist die Verdachtsdiagnose des toxischen Lungenödems durch Ausschluss anderer Ursachen gestellt worden. Wir schlossen durch die Anamnese eine kardiale Ursache durch Vorerkrankungen, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen als Auslöser des Lungenödems aus. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die dunkel-bräunliche Verfärbung der Ödemflüssigkeit, die durch Blutübertritt in die Alveolen bei Endothelschädigung und Desoxygenierung erklärt werden kann. Die definitive Ursache dafür bleibt jedoch im Dunklen, da keine Obduktion durchgeführt wurde.

    Die wirksame Therapie bei schweren Verläufen besteht neben der symptomatischen Behandlung mittels Sauerstoffinhalation und Beatmung, in der rechtzeitigen Gabe von Methylprednisolon i.v. In den veröffentlichten Fallberichten schwanken die Dosierungen zwischen 50mg alle 8h und 80mg alle 8h nach einem toxischen Lungenödem durch Quetiapin. 20mg alle 8h nach Chemotherapeutika und einmalig 1000mg als Therapieversuch nach akzidentieller Phosgeninhalation.

    Conclusio: Bei Vorliegen eines toxischen Lungenödems sollten als Auslöser auch atypische Neuroleptika mit in Betracht gezogen werden. Die Therapie unterscheidet sich grundlegend von der eines kardialen Lungenödems. Im Gegensatz zum kardialen Ödem sind Diuretika wirkungslos, weil eine Membranstörung vorliegt. Mittel der Wahl ist neben Sauerstoffgabe und eventueller Beatmung schnellstmögliche Gabe von Methylprednisolon in Dosierungen von 50 bis 80mg alle 8h. Sollte es im Rahmen des toxischen Lungenödems unter Neuroleptika zu einer Reanimationssituation kommen, kann neben der leitliniengerechten Gabe von Medikamenten auch die zusätzliche Gabe von 1000mg Methylprednisolon im Sinne eines Therapieversuchs erwogen werden.
    Literaturquellen und der mit Literatur-Fußnoten versehene Auflösungstext können bei Interesse zugesandt werden

    Dr. med. univ. Richard Adler

    Facharzt für Anaesthesie

    Sürther Hauptstr. 214

    50999 Köln

    Dr.Richard.Adler@web.de

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