Fall des Monats Dezember 2018

Alarmierungsmeldung Freitag 18:15 Uhr:

39-jähriger Mann, bekannte arterielle Hypertonie, starker Kopfschmerz bei vermutlich hypertensiver Entgleisung

Eintreffsituation und Anamnese:

NEF und RTW treffen fast zeitgleich 8 Minuten nach Alarmierung am Einsatzort ein (Parterre-Wohnung eines Mehrfamilienhauses in Stadtmitte).

Der 39-jährige Patient öffnet die Wohnungstür . Die Artikulation ist leicht verlangsamt. Gesichtsausdruck schmerzgeplagt. Befragt zum Schmerzbeginn berichtet der Patient, dass die Kopfschmerzen, die zunächst okzipital begonnen hätten und mittlerweile aber diffus lokalisiert sind, vor ca. 45 Minuten angefangen hätten. Sein Blutdruck sei seit 4 Jahren zu hoch.  Ähnliche Kopfschmerzattacken seien in den letzten 2 Jahren wiederholt aufgetreten. Der Hausarzt habe ihm für solche Fälle Bayotensin verschrieben, das bisher eigentlich immer gut  geholfen habe. Derzeit verspüre er aber trotz Bayotensin-Einnahme vor 30 Minuten noch keine Beschwerdebesserung.

Der Stand des Patienten ist während seines Reports kurzzeitig schwankend bei nun erkenbarer Gleichgewichtsstörung. Der Patient wird daraufhin vom Rettungsteam auf das Sofa gesetzt.

Hier kann die Fortsetzung der Anamneseerhebung erfolgen : Befragt nach weiteren Erkrankungen und der aktuellen hausärztlichen Medikation wird das Sprachbild des Patienten nun aber erkennbar verwaschen und einsilbig. Gleichzeitig tritt ein Würgereiz ein mit Erbrechen von eher galligem Sekret.

Erstbefund:

Blutdruck 175/90 mmHg,  Puls 108/Minute , rhythmisch  SaO2: 89 %  Temperatur: 38,2°C mit Ohrthermometer.

Pupillen mittelweit, isocor Reaktion auf Licht und Konvergenz prompt. Kein Nystagmus.

Der FAST-Test ist bei der Erstuntersuchung negativ.

Angedeuteter Meningismus.

Der Patient wird schläfrig, reagiert aber noch auf laute Ansprache mit kurzem Augenöffnen gerichtet.

Die Reaktion auf periphere Schmerzreize für die obere und untere Extremität ist leicht verlangsamt. Noch eher gezielte Reaktion der Extremitäten auf Außenreize.

Leicht erhöhter Tonus der Arm- und Beinmuskulatur.

Erstmaßnahmen:

Sofortige Anlage eines intravenösen Zuganges

Weitere Maßnahmen?

Verdachtsdiagnose?

Zielklinik?

 

Dr. Gerrit Müntefering
Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
Lessingstr. 26
47445 Moers

6 thoughts on “Fall des Monats Dezember 2018

  1. Der Patient berichtet über starken Kopfschmerz, welchen er generell schon kenne. Auffällig in diesem Fall der wandernde Charakter und das fehlende Ansprechen auf Bayotensin (merkwürdige Bedarfsmedikation bei Cephalgien, spräche aber für einen schlecht eingestellten arteriellen Hypertonus). Alarmierend ist die kontinuierliche und rasche Verschlechterung der Symptome, insbesondere die rapide zunehmende Vigilanzminderung. Dies und der „leichte“ Meningismus spricht aus meiner Sicht für eine SAB DD ICB bei hypertensiver Entgleisung. Bei vorhandenen Risikofaktoren sollte ein 12K EKG beschrieben werden und prinizipiell auch eine Aortendissection in Betracht gezogen werden. Bei weiterer Minderung des GCS Indikation zur ITN prüfen.

    1. Schließe mich an. Hochgradiger V.a. ICB, unabhängig von den (anders gearteten) vorbestehenden Kopfschmerzen. 170 mmHG syst. sind auch kein ausreichender Grund für den weiter anhaltenden Kopfschmerz.
      Maßnahme: Schutzintubation, auch ohne weitere Verschlechterung des GCS, zügiger Transport in eine Klinik mit Neurochirurgie.

  2. Selbstvestäändlich liegt der Verdacht auf eine ICB, zumindest sprechen die Symptome dafür, besonders die rapide Verschlechterung der Vigilanz und der Motorik. Jedoch macht mich stutzig, dass der Patient fiebrig ist, könnte also auch für eine Encephalitis sprechen. Ich denke, das Labor und weitere diagnostische Verfahren insbesondere bildgebende Verfahren werden Licht ins Dunkle bringen.

  3. Ein ischämisches Ereignis.
    Die Hypertonie könnte man als Bedarfshypertonie betitteln.
    Fieber könnte ein Indikator für die Verschlechterung des Zustandes sein.
    Grad Fieber verdopple das Risiko einer Ausdehnung des Schlaganfall-Areals.
    Hier lässt sich natürlich nur schlecht der leichte Menningismus erklären, er ist warscheinlich nur in seltesten fällen Symptom einer Ischämie.

    Des weitern kann man vielleicht über eine Sinusthrombose diskutieren.
    Anamnestisch kann man nur wenig aus dem Fall Filtern. Vielleicht liegt eine Gerinnungsstörung vor?
    Aber auch diverse Infektionen können Indikatoren für eine Sinusthrombose sein. Letztes würde das Fieber erklären.
    Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit sind ams mögliches Symptom zu nennen.

    Eine ICB oder ein Menningitis ist natürlich präklinisch nicht auszuschließen. Deshalb ein Haus mit Neurologischer und Neurochirurgischer Abteilung. Je nach GCS und fortlaufenden Zustand sei eine Intubation in Erwägung zu ziehen.

  4. Ein ischämisches Ereignis.
    Die Hypertonie könnte man als Bedarfshypertonie betitteln.
    Fieber könnte ein Indikator für die Verschlechterung des Zustandes sein.
    Grad Fieber verdopple das Risiko einer Ausdehnung des Schlaganfall-Areals.
    Hier lässt sich natürlich nur schlecht der leichte Menningismus erklären, er ist warscheinlich nur in seltesten fällen Symptom einer Ischämie.

    Des weitern kann man vielleicht über eine Sinusthrombose diskutieren.
    Anamnestisch kann man nur wenig aus dem Fall Filtern. Vielleicht liegt eine Gerinnungsstörung vor?
    Aber auch diverse Infektionen können Indikatoren für eine Sinusthrombose sein. Letztes würde das Fieber erklären.
    Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit sind ams mögliches Symptom zu nennen.

    Eine ICB oder ein Menningitis ist natürlich präklinisch nicht auszuschließen. Deshalb ein Haus mit Neurologischer und Neurochirurgischer Abteilung. Je nach GCS und fortlaufenden Zustand sei eine Intubation in Erwägung zu ziehen.

  5. Auflösung zum Fall des Monats Dezember 2018
    Das Diskussionsforum hat hinsichtlich der Klinikzuweisung den Zug zweifelsohne auf das richtige Gleis gestellt.
    Aufgrund des Zustandes des Patienten werden die Intubationsutensilien bereit gelegt und ein Transport mit Sondersignal in eine Klinik der Maximalversorgung eingeleitet.
    Blutdruck während des Transportes 165/80 mmHg, Puls 105/Minute , rhythmisch SaO2: 91 % Temperatur bei Kontrollmessung: 38,7°C mit Ohrthermometer.
    Pupillen mittelweit, isocor Reaktion auf Licht und Konvergenz prompt. Weiterhin kein Nystagmus.
    Fortbestehender mäßiger Meningismus.
    Der Patient wird ist weiterhin somnolent,reagiert aber noch auf laute Ansprache mit kurzem Augenöffnen und dabei gerichteten Augenbewegungen zur Geräuschquelle.
    Die Reaktion auf periphere Schmerzreize für die obere und untere Extremität ist unverändert leicht verlangsamt aber ebenfalls noch gerichtet
    Leicht erhöhter Tonus der Arm- und Beinmuskulatur.
    Der Patient wird in unverändertem Zustand in der zentralen Notaufnahme eingeliefert. Zum Zeitpunkt der Übergabe erhält der erstversorgenden Notarzt einen dringlichen Folgeeinsatz bei ausgeschöpften Kapazitäten sonstiger Rettungsmittel im Kreis.

    Bei telefonischer Verlaufsabfrage 2 Stunden später wird mitgeteilt, dass der Patient noch in der ZNA bei eingetretenem Erbrechen intubiert wurde. Die apparative Diagnostik (Schädel-CT) habe keine Hinweise für eine intracerebrale Blutung ergeben. Bei weiter steigenden Temperaturen von 39 ° wird eine Liquorpunktion durchgeführt:
    Befund des Punktats:
    -Glucose und Lactat unauffällig
    Visuell: Punktat klar, Zellzahl 200/µl, mit Lymphzyten und Monozyten-Nachweis, Gesamteiweiß leicht erhöht.

    Es wird eine virale Meningitis diagnostiziert.

    Bei komplikationslosem Verlauf der intensivmedizinischen Weiterbehandlung kann der Versicherte 2 Tage später extubiert werden. Die Remobilisierung verläuft anschließend leicht verlangsamt aber problemlos. Letztendlich kann der Patient nach 9 Tagen in gutem Allgemeinzustand und ohne neurologisches Defizit aus der stationären Behandlung entlassen werden.

    Dr. Gerrit Müntefering
    Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
    Lessingstr. 26
    47445 Moers

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