Fall des Monats Mai 2014

Alarmierungsmeldung:

Nachforderung des Notarztes durch eine RTW-Besatzung, die auf Veranlassung des primär hinzugezogenen KV-Bereitschaftsarztes den 91-jährigen männlichen Gast einer Kurzzeitpflegeeinrichtung bei schlechtem Allgemeinzustand ins Krankenhaus transportieren sollen. Der KV-Bereitschaftsarzt ist bereits nicht mehr vor Ort.

Information des Notarztes zum Fall / zur Vorgeschichte durch die RTW-Besatzung:

Die RTW-Besatzung sollten einen 91-jährigen dementen Mann in deutlich reduziertem Allgemeinzustand zum Transport übernehmen. Laut Angaben des KV-Bereitschaftsarztes an die RTW-Besatzung bestand bei dem Pflegebedürftigen eine AZ-Verschlechterung mit Hinweisen auf eine Bronchopneumonie und Exsikkose. Die Diagnosen „AZ-Verschlechterung“ und „Pneumonie“ finden sich auch auf dem ärztlichen Verordnungsschein für die Krankenhausbehandlung (Innere Abteilung).

Ein Patientenstammblatt mit Angaben zur aktuellen medikamentösen Vorbehandlung oder der Dauermedikation liegt bei Kurzzeitpflegestatus nicht vor. Keine Angaben zu Begleiterkrankungen, Operationen etc..

(Erfahrungsgemäß sind Informationen zu Vorgeschichte gerade bei Bewohnern von Kurzzeitpflegeeinrichtungen schwer zu bekommen).

Aufgrund ein nun feststellbaren Kreislaufdepression des Patienten mit systolischen RR-Werten zwischen  80- 90 mm Hg, bei gleichzeitiger tachykarder Herzfrequenz um 120/ Min und aufgrund eines O²-Sättigungsabfalls auf 85 % – 88 % hatten die Rettungsassistenten den Notarzt nachalarmiert.

Ein intravenöser Zugang konnte aufgrund des schechten Venenstatus bei hypotoner Kreislaufsituation zunächst  nicht gelegt worden.

Erstbefund:

91-jähriger somnolenter Mann mit leichtgradiger Dypnoe. Bei bekannter Demenz des Patienten ist keine adäquate sinngebende Kontaktaufnahme möglich.

Eine zufriedenstellende Reaktion des Patienten auf laute Ansprache und auf Schmerzreiz ist jedoch erkennbar, die Kopfwendung erfolgt gerichtet. Deutliche Exsikkose mit stehenden Hautfalten. Erhöhte Hauttemperatur.(Das Ohrthermometer des RTW’s  war leider ohne Vorwarnung defekt).

Lungenbefund:

Kein brodelndes Atemgeräusch, kein Distanzrasseln. Bei der Lungenauskultation sind allerdings diskrete Rasselgeräusche über beiden Unterfeldern hörbar.

Es ist eine Narbe im Bereich der rechten Thoraxvorderseite infraklavikulär erkennbar.

Messwerte:

RR 90 mm Hg systolisch . Herzfrequenz um 120 / min. Die O²-Sättigung steigt unter der bereits eingeleiteten Sauerstoffgabe (Flow :6 Liter) über Sauerstoffbrille von 85 %  auf  92%.

Erstmaßnahmen:

Vom Notarzt wird unverzüglich ein peripherer intravenöser Zugang gelegt , was auch gelingt. Anschließend wird die sofortige EKG-Ableitung veranlasst

Anmerkung : Es wird ein langer EKG-Streifen abgeleitet, der nachfolgend in 4 Teilsegmenten präsentiert wird. (Schreibgeschwindigkeit 25 mm/sek.).

Die Extremitäten-Ableitungen II und III n. Einthoven zeigen den folgenden Befund :

 

 

 

 

 

Die aufgerufene Analyse-Tabelle der EkG-Ableitung ergibt Frequenzen des Patienten zwischen 120  und 140 Aktionen / Min.

Frage:

Weiteres Procedere ?

 

Dr. Gerrit Müntefering

Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin

Lessingstraße 26

47445 Moers

2 thoughts on “Fall des Monats Mai 2014

  1. Meines Erachtens ist das Problem durch eine Schrittmacher Fehlfunktion ausgelöst., deutlich erkennbar an den häufigen Spikes. Es bedarf also eines Magneten auf die Bruft des Patienten um den Schrittmacher zu entschleunigen.zusätzlich Volumengabe und fortführung der Überwachung.

    PS: Gerade eben nochmal gelese und ein Detail bemerkt, welches mir eben noch durch die Lappen gegangen war: Die Narbe auf der Thoraxvorderseite ist eigentlich eine weitere Bestätigung hierzu.

  2. Weiterer Verlauf beim Fall des Monats 05-2014:

    Der 91-jährige Mann wurde mit systolischen Blutdruckwerten von 90 – 100 mm HG und einer Herzfrequenz von 130 / Minute in den Schockraum eines kardiologisch kompetenten Krankenhauses transportiert.

    Der Patient musste dann allerdings aufgrund eines dringend angeforderten Folgeeinsatzes im Stenogramm-Stil an den diensthabenden Krankenhaus-Internisten übergeben werden. Das DIVI-Notarzt-Einsatzprotokoll war aber glücklicherweise bereits ausführlich ausgefüllt.

     

    Die recherchierbaren Informationen zum weiteren stationären Behandlungs- und Erkrankungsverlauf sind von Krankenhausseite leider sehr dürftig geblieben (Datenschutz und Schweigepflicht ) !

     

    Bei einer späteren Nachfrage des Notarztes beim Hausarzt war etwas mehr zu erfahren. Die EKG-Kontrolle bzw. die Kontrolle der Schrittmacherfunktion bei dem Patienten hatte in der Klinik wohl keine interventionsbedürftige Fehlfunktion des Schrittmachers ergeben. Der 91-jährige Mann befand sich jedoch aufgrund einer progrdienten und dann schwerwiegenderen Bronchopneumonie über einen längeren Zeitraum in intensivmedizinischer Überwachung.

     

    Auch der vielleicht interessierende Funktionsmodus des Schrittmachers konnte im nachhinein über den Hausarzt ermittelt werden. Dem Patienten vor mehreren Jahren bei höhergradigem AV-Block ein DDDR-Schrittmacher implantiert worden.

     

    Einige Informationen zu Schrittmachern mit DDDR-Stimulation :

    Liegt bei einem AV-Block II.Grades oder III.Grades eine chrono­trope Inkompetenz vor, ist die Indikation zum DDDR-Schritt­macher gegeben. Der Begriff „chronotrope Inkompetenz“ charakterisiert eine Situation, in der eine nach Alter, Größe und Geschlecht vorbestimmte Herzfrequenz unter Belastungsbedingungen nicht erreicht wird.

    Das DDDR-Schrittmachersystem steigert die Herzfrequenz be!astungsabhängig über einen in den Schrittmacher integrierten Sensor, der entweder eine Vorhofsteuerung durch P-Wellen-synchrone Stimulation (bei chronotroper Kompetenz) oder durch Sensor-gesteuerte Stimulation (bei chronotroper Inkompetenz) erreicht.

     

    Anmerkungen zum beschriebenen Fall:

    Im Diskussionsbeitrag des Forums zum Fall wurde die Magnetauflage als Option bei der Behandlung von Schrittmacher-vermittelten Tachykardien angesprochen. Bei unserem aktuellen Fall war jedoch ein (1 Monat zuvor noch vorhandener) Magnet als Notfall-Equipment auf dem RTW nicht mehr an Bord

    (Wegschließen wie die BTM hätte möglicherweise vor ………geschützt ).

     

     

    Dr. Gerrit Müntefering

    Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin

    Lessingstraße 26

    47445 Moers 

           

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