Fall des Monats Januar 2018

Notfallmeldung:

nicht ansprechbare Person

Anfahrt:

Das NEF und der RTW erreichen die Einsatzstelle (Einfamilienhaus) 7 Minuten nach Alarmierung.

Angaben zur Auffindesituation:

Ein ca. 50-jähriger Mann öffnet die Haustür und berichtet, seinen 20-jährigen Sohn nicht ansprechbar in seinem Zimmer vorgefunden zu haben. Der Zugang zum Zimmer war durch den Jugendlichen, der im Türöffnungsradius lag, erschwert gewesen.
Der Vater hatte mit seinem Sohn zuletzt 2 Stunden vor der aktuellen Notfallsituation gesprochen ohne erinnerliche Auffälligkeiten.

Erstbefund:

Der 20-jährige Patient wird auf dem Rücken liegend aufgefunden. Keine verdrehte Körperhaltung. In der näheren Umgebung des liegenden Jugendlichen befinden sich keine hervorstehenden oder kantigen Einrichtungsgegenstände. Der Jugendliche ist somnolent, reagiert aber auf laute Ansprache mit kurzzeitigem Augenöffnen. Antworten des Patienten sind nur auf wiederholtes lautes Anfragen des Notarztes zu erhalten. Die Antworten des Jugendlichen sind dabei verspätet, einsilbig („Ja“) und nicht adäquat zur Frage.

Die Pupillenkontrolle ist erschwert möglich, da der Patient die Augen zukneift. Die Pupillen sind mittelweit. Eine Pupillendifferenz besteht nicht. Lichtreaktion prompt. Kein Blick zur positionierten Untersuchungslampe oder zum laut sprechenden Untersucher, keine einseitig dominierende Blickrichtung.  Es besteht allerdings ein angedeuteter Pendelnystagmus.

Kreislaufparameter und Atmung unauffällig. RR: 120/70 mmHg. Puls 80 /Min.  Pulsoximetrie : SaO²  94 %.
Blutzucker-Stix: 70 mg/dl
Keine Traumaspuren im Schädel-Nacken-Bereich. Kein spezifischer Foetor ex ore.
Der Patient reagiert auf periphere Schmerzreize mit gerichteter Abwehrbewegung.  Die orientierende Untersuchung der oberen Extremität und des Rumpfes ergibt keinen pathologischen Befund. Kein erhöhter Muskeltonus. Muskeleigenreflexe leicht abgeschwächt auslösbar ohne Seitendifferenz.
Bei der Inspektion der Bekleidung ist die Hose im Schritt feucht mit Uringeruch. Daraufhin genauere Inspektion der Mundhöhle: Feststellung einer Einblutungsspur am re. Zungenrand.

Weitere Recherchen des Notarztes:

Daraufhin Anamneseerhebung  des Notarztes beim anwesenden Vater nach Vorerkrankungen seines Sohnes : Krampfleiden / Stoffwechselerkrankungen / früher abgelaufenen Synkopen werden verneint. Kein Drogenabusus bekannt. Keine Hinweise auf psychische Instabilität oder aktuelle Probleme. Beim Durchsuchen des Zimmers sind keine Tablettenschachteln auffindbar.

Erstmaßnahmen:

Anlage eines peripher-venösen Zugangs. 
02-Maske mit Flow von 4 Liter/ Min. 
Blutdruck weiterhin bei 120 / 60 mmHg Frequenz um 80 / min, 02-Sättigung 95 %. 
Stabilisierende Lagerung des Patienten auf der Vakuum-Matratze und anschließender Transfer in den RTW.
Nochmals Kontrolle des Blutzucker-Stix : 65mg/dl.

Frage:

Welche Klinik mit welchen Fachabteilungen würden Sie ansteuern?

Welche weitere präklinische Diagnostik oder präklinische Therapie käme eventuell noch infrage?

5 thoughts on “Fall des Monats Januar 2018

  1. Eine Klinik mit CT ist zwingend notwendig, wünschenswert wäre eine Neurologie und sollte angestrebt werden.

    Am Einsatzort wäre als weitere Diagnostik noch ein EKG notwendig. Maligne HRST können durchaus Krampfanfälle verursachen und wären präklinisch therapierbar. Bzw. würde dies evtl die Entscheidung fürdie Zielklinik beeinflussen. 

     

     

  2. Offenbar war es ein Krampfanfall. Der Patient braucht eine Klinik mit CT/Neurologie/Innere ggf. Radiolog. Intervention/Neurochirurgie

    Zur Komplettierung:

    – Blutabnahme, Sozialanamnese, Handlungen der letzten 24h, 12K- EKG, G40% 12-16g iv

    Differentialdiagnostisch: Epilepsie, SAB, ICB, Ischämie, der BZ Wert lässt auch an eine akute Poprhyrie (örtlicher Urin? Anamnese Trigger!) denken… 

     

  3. Weiterer Verlauf des Januar-Falls 2018 :

     

    Der Patient wird in die neurologische Abteilung einer nahegelegenen Klinik transportiert. Keine nennenswerte Zustandsänderung des Patienten während des Transports. Die Bewußtseinslage des Patienten bleibt weiterhin somnolent bei stabilen Kreislaufparametern.

    Der Patient wird auf die Intensivstation der Klinik gebracht.

    Im Laufe der ersten Stunde nach stationärer Aufnahme (gerade zu Beginn der weitergehenden apparativen Diagnostik => Schädel-CT ) trübt der Patient plötzlich weiter ein und wird intubationspflichtig. Eine Pupillendifferenz ist nicht feststellbar. Das noch zu Ende geführte Schädel-CT ergibt eine intrazerebrale Blutung mit zunehmender raumfordernder Ausbreitung.

     

    Der Patient wird notfallmäßig in eine neurochirurgische Abteilung weiterverlegt und dort unverzüglich operativ druckentlastet.

    Die Neurochirurgen sprechen von einer atypischen intrazerebralen Blutung. Nach mehrtägiger kontrollierter Beatmungsphase auf der neurochirurgischen Intensivstation kann der Patient von der Beatmung entwöhnt werden. Er reagiert anfänglich leicht verlangsamt.

    Die zerebrale Funktion und Vigilanz bessert sich jedoch an Folgetagen erkennbar. Als Folgezustand der intrazerebralen Blutung wird (zusätzlich zur noch verlangsamten Hirnleistung ) eine Hemianopsie und ein linksseitiger Neglect festgestellt.

     

    Der Patient wird nach 2-wöchiger neurochirurgischer Klinikbehandlung in eine neurochirurgische Anschluß-Rehabilitationsmaßnahme entlassen. Hier kann im Verlauf einer 2-monatigen Therapiephase eine erhebliche Zustandverbesserung erreicht werden. Die primär dokumentierte Hirnleistungsminderung klingt weitestgehend ab. Auch der linksseitige Neglect ist zum Ende der Rehabilitationsmaßnahme kaum mehr nachweisbar. Nur die Hemianopsie besteht weiterhin.

     

    Ein Kontroll-Schädel-CT, das zum Ende der Rehabilitations-Maßnahme angefertigt wird, ergibt nun Hinweise auf eine mögliche intrazerebrale Infarktzone mit sekundärer Einblutung in diesen Ischämiebezirk.

     

    Dr. Gerrit Müntefering

    Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin

    Lessingstr. 26

    47445 Moers

  4. Was war die Ursache des Hirninfaktes?
    Ich finde die Kasuistik endet, ohne den spannendsten Teil, nämlich die Frage nach der Ursache der Erkankung beantwortet zu haben! Wurde eine Thrombophiliediagnostik durchgeführt?
    Gibt es Hinweise auf Intimaläsionen der hirnversorgenden Arterien? Was ergab die Echokardiographie und was das EKG?

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