Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

Alarmierungsmeldung freitags um 3:00 Uhr nachts:

Weibliche Person mit Atemnot

 

Situation vor Ort:

7 Minuten nach Alarmierung zeitgleiches Eintreffen von NEF und RTW am Einsatzort (Einfamilienhaus). Der Ehemann der Patientin führt das Rettungsteam ins Schlafzimmer.

Dort wird eine 26-jährige Patientin mit mäßiger Tachypnoe (ca. 16 – 18 / Min) und schmerzbedingt flachen Atemexkursionen im Bett liegend vorgefunden.

 

Anamneseerhebung:

Bei der Anamneseerhebung kann die Patientin schmerzbedingt nur einsilbig bzw. in kurzen Sätzen antworten. Sie gibt an, dass beim Zubettgehen gegen 21:00 Uhr zunächst Schmerzen im Bereich beider Thoraxhälften aufgetreten seien. Die Schmerzen wären im Bereich der unteren lateralen Rippenverläufe (Region der beider Lungenunterfelder) lokalisierbar gewesen. Die Schmerzen hätten bereits zu Beginn eine atemabhängige Schmerzverstärkung gezeigt.  Beim frühabendlichen Fitnesssport hätten diese Beschwerden noch nicht bestanden.

Durch anschließende Schonung und vorsichtige Lagerung und auch lokale Wärmeanwendung sei dann zeitweilig ein Beschwerderückgang insbesondere der rechtsseitigen Thoraxbeschwerden aufgetreten. Die Schmerzen seien innerhalb der nachfolgenden 2 Stunden komplett auf die linke Thoraxflanke gewandert.  

 

Weitere Angaben der Patientin im Rahmen der Anamneseerhebung:

Bronchopulmonale Infekte seien in den vorangegangenen Wochen nicht aufgetreten. Psychische oder physische Stress-Situationen hätten ebenfalls nicht bestanden. Im Gegenteil: Vor 2 Tagen seien sie von einem 2-wöchigen Mexiko-Urlaub zurückgekehrt. Während des Urlaubs habe sie allerdings wohl einen grippalen Infekt erlitten, der mit einem Gesichtsauschlag verbunden gewesen sei. Anscheinend habe sie die Sonne schlecht vertragen.

Bei Aufenthalt im Schatten seien die Flecken im Gesicht dann wieder abgeblasst.

Durch das viele Wandern im Urlaub seien vorbestehende Kniegelenksbeschwerden und Sprunggelenksbeschwerden allerdings wieder stärker geworden mit auch leichter Schwellung dieser Gelenke.

Pulmonale Vorerkrankungen und auch kardiale Vorerkrankungen werden verneint.

Früher seien die Unterschenkel bei leichter Beinvenenvaricosis hin und wieder geschwollen gewesen. Die daraufhin verordneten Kompressionsstrümpfe habe sie aber nicht vertragen.

 

Aktueller Schmerzcharakter:

Die nach linksseitig gewanderten thorakalen Schmerzen seien weiterhin atemabhängig verstärkt mit Schmerzintensität von 7/10 auf der VAS (Visuelle Analogskala). Ein kolikartiger Schmerzcharakter wird verneint.

 

Erstuntersuchung:

Blutdruck 130/80 mmHg Puls 92/min mit rhythmischer Herzaktion. Sauerstoffsättigung bei 96%. Bei der auskultatorischen Untersuchung der Thoraxhälften werden ein verschärftes Atemgeräusch oder ein im Seitenvergleich abgeschwächtes Atemgeräusch nicht festgestellt. Man meint, ein leises Knarren zu hören. Allerdings ist die auskultatorische Untersuchung durch die schmerzbedingt flache Atmung der Patientin erschwert beurteilbar. Kein Nierenlager-Klopfschmerz oder -Druckschmerz auslösbar.

EKG: Das abgeleitete 12-Kanal-EKG ergibt keinen auffälligen Befund. Keine pathologischen Veränderungen des QRS-Komplexes oder der Endstrecke.

Der weitere körperliche Untersuchungsbefund verläuft unauffällig. Im Gesicht ist nach abendlicher Creme-Anwendung allenfalls der fotodokumentierte Befund erkennbar. Bei leichter Beinvenenvaricosis besteht eine mäßige Ödembildung der unteren Extremität.

 

Weitere Maßnahmen an der Einsatzstelle:  

Anlage eines intravenösen Zuganges und intravenöse Analgesie, die den Transfer vom Bett auf den Tragestuhl für die Patientin erträglich macht.

Die Patientin kann – nach ausreichender Titrierung des Analgetikums – auf dem Tragestuhl über die mehrfach gewendelte Treppe aus der ersten Etage in den RTW transportiert werden.

Blutdruck 135/85 mmHg,  Puls 96/min mit rhythmischer Herzaktion. Sauerstoffsättigung bei 94 %. BZ: 112 mg/dl. Tympanale Temperatur: 37.7°

 

 

Verdachtsdiagnose?

Präklinische Therapie?

Zielklinik?

 

Dr. Gerrit Müntefering
Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
Lessingstr. 26
47445 Moers

 

 

2 thoughts on “Fall des Monats Oktober 2024

  1. Guten Tag,

    bei diesem Fall kommen mir mehrere Differentialdiagnosen in den Sinn:

    – atypische Pneumonie (mit Begleitpleuritis) bei positiver Reiseanamnese und subfebrilen Temperaturen
    – Erstmanifestation eines Lupus erythemadodes – getriggert durch einen grippalen Infekt im Urlaub – mit Pneumonitis/Pleuraergüßen
    (vermeintliche Dermatitis solaris erinnert an ein Schmetterlingserythem; dazu passen dann auch die Athralgien/Arthritiden)
    – LAE bei Beinvenenvarikosis mit US-Ödemen und nicht getragen Kompressionsstrümpfen
    – Intercostalneuralgie bei Z.n. Sport

    Präklinische Therapie:
    – O2-Gabe sofern SpO2 < 90% oder Dyspnoe
    – Fortführung der anlagetischen Therapie
    – KEINE Antikoagulation, da mir die Diagnose LAE nicht allzu wahrscheinlich erscheint.

    Zielklinik:
    – falls mgl. ein Haus mit Rheumatologie/Infektiologie/ggf. Angiologie

  2. Verdachtsdiagnose:
    Systemischer Lupus Erythematodes mit den typischen Symptomen: vorangegangener Infekt/Fieber, Schmetterlingserythem, (Sonnen-)Lichtempfinglichkeit, Gelenkschmerzen, Ödeme, Pleuritis

    Präklinische Therapie:
    Bei einem SLE neben den genannten Maßnahmen präklinisch kaum Therapiemöglichkeiten

    Zielklinik:
    Maximalversorger/Universitätsklinik/spezialisiertes Zentrum

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