Fall des Monats März 2017

Alarmierungsmeldung Freitags (Ende Januar) um 3:00 Uhr nachts:

Weibliche Person mit Atemnot

Situation vor Ort:

7 Minuten nach Alarmierung zeitgleiches Eintreffen von NEF und RTW am Einsatzort (Einfamilienhaus). Der Ehemann der Patientin führt das Rettungsteam ins Schlafzimmer.

Dort wird eine 40-jährige Patientin mit mäßiger Tachypnoe (ca. 16 – 18 / Min) und schmerzbedingt flachen Atemexkursionen im Bett liegend vorgefunden.

Anamneseerhebung:

Bei der Anamneseerhebung kann die Patientin schmerzbedingt nur einsilbig bzw. in kurzen Sätzen antworten. Sie gibt an, dass beim Zubettgehen gegen 21:00 Uhr zunächst Schmerzen im Bereich beider Thoraxhälften aufgetreten seien. Die Schmerzen wären im Bereich der unteren lateralen Rippenverläufe (Region der beiden Lungenunterfelder) lokalisierbar gewesen. Die Schmerzen hätten bereits zu Beginn eine atemabhängige Schmerzverstärkung gezeigt.  Beim frühabendlichen Fitnesssport hätten diese Beschwerden noch nicht bestanden.

Durch anschließende Schonung und vorsichtige Lagerung und auch lokale Wärmeanwendung sei dann zeitweilig ein Beschwerderückgang insbesondere der rechtsseitigen Thoraxbeschwerden aufgetreten. Die Schmerzen seien innerhalb der nachfolgenden 2 Stunden komplett auf die linke Thoraxflanke gewandert. 

Weitere Angaben der Patientin im Rahmen der Anamneseerhebung:

Bronchopulmonale Infekte seien in den vorangegangenen Wochen nicht aufgetreten. Psychische oder physische Stress-Situationen hätten ebenfalls nicht bestanden. Im Gegenteil: Vor 2 Tagen seien sie von einem 2-wöchigen Mexiko-Urlaub zurückgekehrt. Während des Urlaubs habe sie allerdings wohl einen grippalen Infekt erlitten, der mit einem Gesichtsauschlag verbunden gewesen sei. Anscheinend habe sie die Sonne schlecht vertragen.

Bei Aufenthalt im Schatten seien die Flecken im Gesicht dann wieder abgeblasst.

Durch das viele Wandern im Urlaub seien vorbestehende Kniegelenksbeschwerden und Sprunggelenksbeschwerden allerdings wieder stärker geworden mit auch leichter Schwellung dieser Gelenke.

Pulmonale Vorerkrankungen und auch kardiale Vorerkrankungen werden verneint.

Früher seien die Unterschenkel hin und wieder geschwollen gewesen. Die daraufhin verordneten Kompressionsstrümpfe habe sie aber nicht vertragen.

Aktueller Schmerzcharakter:

Die nach linksseitig gewanderten thorakalen Schmerzen seien weiterhin atemabhängig verstärkt mit Schmerzintensität von 7 / 10 auf der VAS (Visuellen Analogskala) . Ein kolikartiger Schmerzcharakter wird verneint.

Erstuntersuchung:

Blutdruck 130/80 mmHg Puls 92/min mit rhythmischer Herzaktion. Sauerstoffsättigung bei 96% . Bei der auskultatorischen Untersuchung der Thoraxhälften werden ein verschärftes Atemgeräusch oder ein im Seitenvergleich abgeschwächtes Atemgeräusch nicht festgestellt. Man meint, ein leises Knarren zu hören. Allerdings ist die auskultatorische Untersuchung durch die schmerzbedingt flache Atmung der Patientin erschwert beurteilbar. Kein Nierenlager-Klopfschmerz oder –Druckschmerz auslösbar.

EKG: Das abgeleitete 12-Kanal-EKG ergibt keinen auffälligen Befund. Keine pathologischen Veränderungen des QRS-Komplexes oder der Endstrecke.

Der weitere körperliche Untersuchungsbefund verläuft unauffällig. Im Gesicht ist nach abendlicher Creme-Anwendung allenfalls eine diskrete Rötung der Wangenregion erkennbar. Bei leichter Beinvenenvaricosis besteht eine mäßige Ödembildung der unteren Extremität.

Weitere Maßnahmen an der Einsatzstelle:  

Anlage eines intravenösen Zuganges und intravenöse Analgesie, die den Transfer vom Bett auf den Tragestuhl für die Patientin erträglich macht.

Die Patientin kann – nach ausreichender Titrierung des Analgetikums – auf dem Tragestuhl über die mehrfach gewendelte Treppe aus der ersten Etage in den RTW transportiert werden.

Blutdruck 135/85  mmHg,  Puls 96/min mit rhythmischer Herzaktion. Sauerstoffsättigung bei 94 %.

 

Welche weiteren Fragen wären sinnvoll? Verdachtsdiagnose?

Zielklinik?

Dr. Gerrit Müntefering
Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
Lessingstr. 26
47445 Moers

5 thoughts on “Fall des Monats März 2017

  1. Fieber ? Wie lange ist der grippalen Infekt her ? Folgen die abgelaufenen – als banal eingeschätzten – Symptome einer Periodik ? Milz tastbar oder  ?

    In der Zielklinik sollte jemand ein Mikroskop bedienen und eine Blutausstrich machen können. Und eines innere sowie allegeminchirugie sowie ein CT sowie ein Sono/Echo sollte es da auch geben. Dann weiß man irgendwann mehr, obs Malaria oder dengue Fieber oder doch was "übliches" ist – eine Banalität wie ne pleuritis oder auch eine LAE. 

  2. Habe etwas länger überlegen müssen, aber der Hinweis auf die Wangenrötung hat mich auf meine Verdachtsdiagnose gebracht…

    Die Pat. klagt über starke atemabhängige Schmerzen, zudem auskultatorisch "Knarren". Es handelt sich hierbei wohl um eine Pleuritis (12-K-EKG opB, spO2 94%). 

    Auffällig zudem die intermittierenden Gelenkschwellungen bzw. Unterschenkelschwellungen auch in der Vergangenheit. Dann noch die durch Sonnenexposition getriggerte Rötung beider Wangen…  

    Die Vitalparameter sind unauffällig. Isolierte pulmonale oder kardiale Ursachen sind in Zusammenschau der Befunde unwahrscheinlich. Es sind bereits jetzt mindestens 3 ACR-Kriterien für einen SLE gegeben. 

    Somit Anfahrt zur nächst gelegenen Inneren Abteilung. Eine Rheumatologie wäre natürlich optimal, aber sicherlich zur Primärdiagnostik nicht notwendig. Zur Abklärung der Differentialdiagnosen sollte eine CT vorhanden sein. 

     

  3. VD: Atypischer Thoraxschmerz dd Grunderkrankung wmgl. aus dem rheumatischen Formenkreis,

    Transport in die nächste geeignte allgemeine Innere

  4. VD: Pleuritis im Rahmen einer bisher nicht diagnostizierten rheumatischen Grunderkrankung, a.e. Lupus erythematodes (Schmetterlingserythem, Photosensibilität, Serositis, Arthritis). Weitere Fragen könnten nach oralen Ulcerationen, Raynaud-Phänomen und neurologischen Veränderungen sein.

    Zielklinik: Innere, am besten mit rheumatologischer Abteilung

     

  5. Auflösung des März-Falls 2017

    Die Forumteilnehmer haben sich – wie erwartet -zielgerichtet und kompetent geäußert. Dr. House hätte seine Freude daran.

    So haben die Diskussionsteilnehmer recht zügig die richtige Lösung anhand der Fallschilderung zusammengepuzzelt.

    Man muss für den im aktuellen Fall involvierten Notarzt lobend erwähnen, dass er die Anamnese sehr sorgfältig und letztendlich auch „zielführend“ erhoben hatte. Seine Arbeitsdiagnose lautete „ Pleuritis “ .

    Unser Notarzt hatte  unter der Arbeitsdiagnose „Pleuritis“  dann auch die richtige Zuweisungsentscheidung gefällt und die Versicherte in eine multidisziplinäre Innere Abteilung mit rheumatologischem Zweig transportiert, wo die Diagnose einer Pleuritis bei systemischem Lupus erythematodes letztendlich bestätigt werden konnte.

    Der involvierte Notarzt hatte allerdings erst 2 Tag später (nach Rücksprache mit den Internisten / Rheumatologen der Klinik) von der Diagnose des systemischen Lupus erythematodes erfahren.

    Die Vers. konnte zeitnah wieder aus der stat. Behandlung entlassen werden und befindet sich  in regelmäßiger rheumatologischer Verlaufsüberwachung.

     .

    Abschließend noch eine kurze Abhandlung über die ACR-Kriterien des systemischem Lupus erythematodes, die bereits in der Forumdiskussion angesprochen wurden.

    Die ACR-Klassifikation ist eine Klassifikation des Amerikan College of Rheumatology (ACR) zur Diagnose des systemischen Lupus erythematodes (SLE).

     

    Sind 4 der folgenden 11 Kriterien bei einem Patienten erfüllt, ist das Vorliegen eines systemischen Lupus erythematodes sehr wahrscheinlich:

     – Schmetterlingserythem

    – Discoider Lupus erythematodes  

    – Photosensibilität

    – Schleimhautulcera

    – nicht erosive Arthritis von 2 oder mehr Gelenken

    – Serositis (Pleuritis, Pericarditis)

    – Nierenbeteiligung (Proteinurie > 0,5g/d oder Zylindrurie )

    – ZNS-Beteiligung

    – hämatologische Befunde: „ Coombs- positive“ hämolytische Anämie (Autoimmunhämolytische Anämie)

    – Nachweis vonDsDNA- Antikörpern oder Sm- Antikörpern

    – Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA)

     

    Dr. Gerrit Müntefering
    Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
    Lessingstr. 26
    47445 Moers

     

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