Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

Alarmierungsmeldung am Freitagabend gegen 19:00 Uhr:

40-jähriger Mann in Justizvollzugsanstalt mit Bewusstseinstrübung

 

Situation vor Ort:

Eintreffen des RTW und NEF 7 Minuten nach Alarmierung am Eingang der Justizvollzugsanstalt. Das Rettungsteam wird vom Beamten der Justizvollzugsanstalt zu den Zellen der Untersuchungshaft-Abteilung geführt. Von der dort diensthabenden Beamtin wird mitgeteilt, dass sie den 40-jährigen Mann vor 2 Tagen von der Entzugsstation eines Justizvollzugskrankenhauses übernommen hätten. Dort sei eine Entwöhnung bei Polytoxikomanie angabegemäß erfolgreich verlaufen. Bei anamnestisch bekannter Neigung zu Krampfereignissen sei dort eine Medikation mit Levetiracetam eingeleitet worden, die antikonvulsive Medikation musste jedoch bei Nebenwirkungen von der Dosis her reduziert werden.

Der die Justizvollzugsanstalt betreuende Arzt habe die Entlassungsdokumente des Krankenhauses am heutigen Vormittag gesichtet und zur Diskussion der weiteren Medikation mit Fachkollegen mitgenommen.

Das Personal der Justizvollzugsanstalt teilt auf Abfrage des Notarztes hin mit, dass der Insasse am Morgen eine Medikation mit 1500 mg Levetiracetam zugeteilt bekommen habe, wobei die Tabletteneinnahme üblicherweise nicht in Anwesenheit des Personals erfolge.

Jetzt sei es gegen 18:45 Uhr zu einer Bewusstseinstrübung des Insassen gekommen angabegemäß mit Verkrampfung der oberen Extremitäten und Rückneigung des Kopfes. Ein Zucken der Extremitäten wird vom Personal verneint. Eine Gesichtszyanose habe nicht bestanden. Kein Schaum vor dem Mund. Der Insasse sei auf seinem Bett liegend angetroffen worden. Kein Hinweis auf ein Sturzereignis bei allerdings sehr schmal konfigurierter Zellengröße mit durchaus höherem Verletzungsrisiko.

 

Erstbefund:

40-jähriger Mann in Seitenlage liegend, bei lauter Ansprache Zucken der Augenlider und angedeutet gerichtete Kopfdrehung.

Keine Zyanose, Atemfrequenz leicht erhöht. Muskeltonus bei der Erstuntersuchung im Oberkörperbereich allenfalls diskret erhöht.

Kein Einnässen. Adäquate Reaktion auf Schmerzreize.

Blutdruck 150/90 mmHg, Pulsfrequenz 110/min rhythmisch. Sauerstoffsättigung 94%. Blutzuckerstix : 100 mg/dl.

Im Rahmen der Erstuntersuchung kommt es dann nochmals zu einem tonischen Oberkörper-betonten Krampfereignis mit Überstrecken des Kopfes.

Tonus der Beinmuskulatur nicht erhöht. Kein Einnässen. Kein Zungenbiss.

Im Rahmen des Krampfereignisses pulsoximetrischer Anstieg der Herzfrequenz auf 140/ Minute. Sauerstoffsättigung bei 91%.

 

Erstmaßnahme:

Intranasale Gabe von 5 mg Midazolam (verteilt auf beide Nasenlöcher) über MAD.

Hierunter zunächst Sistieren der Krampfsymptomatik.

Unter Fixieren des rechten Armes mit 2 Hilfskräften kann im rechten Handgelenksbereich eine 18 G-Venenverweilkanüle gelegt werden.

Im rechten Handgelenks-Unterarmbereich wird zur weiteren Sicherung des Zugangs ein SAM-Splint gedoppelt angelegt.

Bei der anschließend möglichen Pupillenkontrolle werden (bei mäßigen Lichtverhältnissen in der Zelle) bei mehrmaliger Überprüfung weitere Pupillen beidseits ohne Seitendifferenz festgestellt. Lichtreation erhalten.

Keine verstärkten Muskeleigenreflexe. Keine klonischen Antworten bei der Reflexprüfung.

Kein Opisthotonus.

 

Es kommt zu einer erneuten oberkörperbetonten Krampfsymptomatik.

Woraufhin erneut 2 mg Midazolam nun intravenös verabreicht werden.

Erneutes Sistieren der Krampfsymptomatik.

Kontaktaufnahme mit der innerhalb von 15-20 Minuten erreichbaren neurologischen Klinik.

Der diensthabende Neurologe teilt mit, dass sie nur noch ein freies Überwachungsbett hätten und ein Patient mit möglichem Verdacht auf Apoplex angekündigt sei.

Bei fokaler Krampfsymptomatik könne die stationäre Verlaufskontrolle auch auf anderen nicht neurologischen Überwachungsstationen erfolgen.

Die nächste neurologische Klinik hat eine Anfahrtsstrecke von 50-60 Minuten.

Direkt nach dem Telefonat kommt es zu einer erneuten oberkörperbetonten Krampfsymptomatik des Patienten, die unter i.v.-Gabe von 2 mg Midazolam rasch sistiert.

Bei der Pupillenkontrolle sind nach wie vor bei mehrmaliger Überprüfung weitere Pupillen beidseits feststellbar ohne Seitendifferenz und mit erhaltener Lichtreaktion-

 

Weitere präklinische Diagnostik?

Verdachtsdiagnose?

Zielklinik?

 

Dr. med. Gerrit Müntefering
Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie
Lessingstraße 26
47445 Moers

 

 

 

 

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