Positionspapier der AGNNW und der ÄLRD NRW zum Notarztmangel

 

Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

Lösungsvorschläge zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung in NRW Seite 1

Sicherstellung der notärztlichen Versorgung gemäß

§ 6 RettG NRW in Nordrhein-Westfalen

Analyse der Problematik und Lösungsvorschläge

Analyse und Vorschläge basieren ausschließlich auf den Strukturen und rechtlichen Rahmenbedingungen in NRW. Damit ist eine Übertragbarkeit auf andere Bundesländer nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.

Inhalt

I. Problemstellung

II. Ursachenanalyse

III. Voraussetzungen für die Sicherstellung der Notärztlichen Besetzung eines Notarzteinsatzfahrzeuges (NEF) bzw. Rettungshubschraubers

IV. Bisherige Sicherstellungsmodelle

V. Analyse des Notarztmangels

V.1. Problemkreise

V.2. Wirksamwerden des Notarztmangels in der Praxis

VI. Lösungsvorschläge

VII. Zusammenfassung

 

Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

Lösungsvorschläge zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung in NRW

I. Problemstellung

In den letzten Jahren haben einige Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) aus NRW wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass es in ihrem Zuständigkeitsbereich Probleme bei der Besetzung von Notarzteinsatzmitteln gibt. Zuletzt hat der Landkreistag NRW das Ministerium angeschrieben und anlässlich der bevorstehenden Novellierung des Rettungsgesetzes NRW darauf hingewiesen. Flankierend wurde in der Sitzung des Bundesverbandes der ÄLRD Deutschland in Mainz (19.-22.9.2011) eine Analyse aus Rheinland-Pfalz vorgestellt, die eine ähnliche und insbesondere zunehmende Entwicklung in den dünn besiedelten Regionen von Rheinland-Pfalz beschrieb.

Der Landesverband der ÄLRD NRW hat daraufhin beschlossen, in einer Arbeitsgruppe eine Problemanalyse vorzunehmen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Diese hat am 9.11.2011 in Köln getagt und unterbreitet nach Abstimmung mit seinen Mitgliedern die nachstehenden Vorschläge.

II. Ursachenanalyse

Der Notarztmangel betrifft überwiegend Kreise und dort die besonders besiedelungsschwachen Gegenden. Aber auch kreisfreie Städte sind davon betroffen.

Eine wesentliche Ursache wird im allgemeinen Arztmangel gesehen, der sich auch auf die Notarztbesetzung auswirkt.

III. Voraussetzungen für die Sicherstellung der Notärztlichen Besetzung eines Notarzteinsatzfahrzeuges (NEF) bzw. Rettungshubschraubers

Für die Sicherstellung der notärztlichen Besetzung ist die Beachtung folgender Kriterien notwendig:

Kriterium 1: Pool an geeigneten Notärztinnen und Notärzten

Kriterium 2: Flexible Dienstplangestaltung mit Ausfallsicherungsmechanismen

Kriterium 3: Gehalts- / Honorarvergütungsstelle

Kriterium 4: Informations- und Fortbildungsstrukturen

Kriterium 5: Angemessene und gleichmäßige Vergütung

IV. Bisherige Sicherstellungsmodelle

Bislang wurden in NRW mit der notärztlichen Besetzung überwiegend Krankenhäuser beauftragt, da diese die meisten Voraussetzungen aus dem Kriterium 2 erfüllen konnten. Zunächst waren dies überwiegend Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft, später wurden auch immer mehr Krankenhäuser in privater Trägerschaft beauftragt. Diese Unterstützung des öffentlichen Rettungsdienstes durch Krankenhäuser wurde auch in der letzten Novellierung des Rettungsgesetzes NRW im Jahre 1999 in § 11 Abs. 2 bekräftigt. Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

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Vor allem in sehr entlegenen Regionen wurden schon sehr früh niedergelassene Ärztinnen und Ärzte einbezogen, aber auch nebenberufliche Ärztinnen und Ärzte, die neben einer hauptberuflichen Tätigkeit gelegentlich als Notärztinnen und Notärzte arbeiteten, kamen zum Einsatz.

Die Notarzteinsatzfahrzeuge standen dabei meistens direkt am Krankenhaus. Die anfänglich sehr geringe Einsatzhäufigkeit machte es möglich, dass der Arzt im Krankenhaus arbeiten konnte und darüber hinaus auch noch den Notarztdienst versah. Diese Synergismen führten bislang zu einer preisgünstigen Gestaltung des Notarztdienstes. In den letzten Jahren kam es neben einer zunehmenden Verdichtung der ärztlichen Klinikarbeit zu einem kontinuierlichen Anstieg der Notarzteinsätze, so dass eine Doppelnutzung des Notarztes in der Klinik und im Rettungsdienst zunehmend eingeschränkt wurde.

V. Analyse des Notarztmangels

V.1. Problemkreise

Der Notarztmangel tritt in mindestens vier Problemkreisen auf, die ursächlich aber miteinander verknüpft sind. Der erste Problemkreis betrifft die Besetzung der Notarzteinsatzmittel, der zweite die Besetzung mit geeigneten Notärzten, der dritte ein nachlassendes Interesse an einer Teilnahme und der vierte strukturelle Probleme.

Problemkreis 1: Besetzungslücken

Durch eine zu geringe Anzahl an Notärzten kommt es zu Besetzungslücken. Diese Lücken haben verschiedene Facetten. Die Lücke kann eine ganz Schicht betreffen, da zu wenige Notärzte vorhanden sind. Dazu gehört auch das Problem, dass Krankheitsausfälle nicht schnell genug kompensiert werden können.

Die Tatsache, dass akute Besetzungslücken kurzfristig nicht geschlossen werden können, ist meist eine Folge der zu geringen Personalkapazität (Kriterium 1 nicht mehr erfüllt), wodurch die wenigen vorhandenen Ärzte bereits krankenhausintern gebunden und „freie" Personalressourcen nicht mehr vorhanden sind. Häufiger ergibt sich jedoch eine temporäre Lücke, wenn der Notarzt im Krankenhaus gebunden ist und für eine gewisse Zeitdauer nicht oder nur deutlich verspätet ausrücken kann.

Diese Besetzungslücken kommen auch bei anderen notärztlichen Aufgaben zum Tragen, wie z.B. im Katastrophenschutz oder bei Großveranstaltungen, wenn die dort (z.B. nach Landeskonzept) vorgesehene notärztliche Besetzung entweder nicht planmäßig organisiert ist und / oder der Termin für den Einsatz (z.B. Großveranstaltung) zu spät bekanntgegeben wird.

Problemkreis 2: zu wenige geeignete Notärzte

Die Krankenhäuser, die die notärztliche Besetzung als Auftrag übernommen haben und ihren ärztlichen Stelleplan in der Klinik nicht vollständig besetzen können, gehen zunächst dazu über, mehr Abteilungen in die Besetzung miteinzubeziehen und, wenn dieses nicht ausreicht, externe Honorarkräfte zu beschäftigen. Dabei kommen auch Ärzte zum Einsatz, die entweder zu wenig auf rettungsdienstliche Situationen vorbereitet sind (z.B. keine intensivmedizinische Erfahrung, keine Kenntnisse der MANV- und sonstiger Spezialkonzepte, etc.), Verständigungsprobleme durch fehlende Sprachkenntnisse aufweisen oder zu wenig in die örtlichen Versorgungsstrukturen (z.B. welcher Patient kann in welcher Klinik versorgt werden) eingewiesen sind. Überdies wird von Ärztlichen Leitern Rettungsdienst berichtet, dass die Fluktuation im Notarztbestand im Mittel zugenommen hat, so dass beständig neue Ärztinnen und Ärzte eingewiesen und ausgerüstet werden müssen. Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

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Bei der Beschäftigung externer Honorarkräfte bedienen sich diese Krankenhäuser immer häufiger auch sog. Notarztbörsen, die überregional Notärztinnen und Notärzte vermitteln. Darunter gibt es ausgezeichnete und sehr erfahrene Kolleginnen und Kollegen, aber auch etliche, die für den Einsatz als Notarzt im öffentlichen Rettungsdienst ungeeignet, oder unzureichend vorbereitet sind. Zudem fehlt auch bei den extern vermittelten Notärzten oft die Einweisung auf die lokalen Geräte, Ausstattungen und Versorgungsstrukturen.

Problemkreis 3: Nachlassendes Interesse bei jungen Ärztinnen und Ärzten

Immer mehr Kliniken berichten, dass es nicht nur schwierig ist, Ärztinnen und Ärzte für die Klinikstellen zu finden, sondern auch, dass immer mehr Interessenten darauf hinweisen, dass sie nicht am Notarztdienst teilnehmen möchten. Während die Tätigkeit als Notarzt früher eine attraktive Aufgabe für Ärzte zu sein schien, ist dieses Interesse am Rettungsdienst zumindest bei einigen offensichtlich rückläufig. Ein Grund mag sein, dass die Einsatzzahlen des Notarztes im Rettungsdienst seit ca. 20 Jahren beständig steigen. Während früher nur vereinzelt Einsätze in 24 Stunden anfielen, sind in Ballungszentren Einsatzspitzen mit 16-20 Einsätzen in 24 h keine Rarität mehr. Dabei nimmt nicht die Zahl der lebensbedrohlichen Zustände überproportional zu, sondern eher die Einsätze, die dem Bereich der Akutmedizin und Krisenintervention zuzurechnen sind. Damit kommt es zu einer Aufgabenausweitung, die weit über die Abwendung lebensbedrohlicher Zustände hinausgeht und anderer Fähigkeiten und Instrumente bedarf. Zusätzlich steigt ebenfalls die Zahl der arztbegleiteten Verlegungstransporte an, die eine Folge der zunehmenden Arbeitsteilung zwischen Kliniken bzw. Klinikverbünden sind. Ein weiterer Grund mag die, angesichts der Mangelsituation von Ärzten in den Kliniken, geringe Flexibilität bei der Dienstplangestaltung sein.

Problemkreis 4: Strukturelle Probleme (z.B. Ungleichgewichte)

In dichter besiedelten Bereichen mit größeren Krankenhäusern besteht meist kein Notarztmangel, da dort die Krankenhäuser ihre Arztstellen besser besetzen können. Damit sind dort in der Regel auch noch genügend mitwirkungswillige Notärzte vorhanden. In den dünner besiedelten Flächenkreisen fehlen Krankenhäuser. Notarztstandorte lassen sich dabei aus räumlichen und aus politischen Gründen nicht einfach verschieben.

V.2. Wirksamwerden des Notarztmangels in der Praxis

1. Klinik kündigt die Notarztgestellung

Aufgrund der fehlenden Klinikärzte, sieht sich die Klinik nicht mehr in der Lage, die vertraglichen Verpflichtungen der Notarztgestellung zu erfüllen und kündigt den Vertrag. Auch Budgeterhöhungen seitens des Rettungsdienstträgers sind nicht erfolgreich, da die Klinik die vorhandenen Stellen nicht besetzen kann.

2. Klinik hält an der Notarztgestellung fest, erfüllt aber die vertraglichen Verpflichtungen nicht

Bei dieser Form kommt es zu Besetzungslücken, wobei die Klinik aber grundsätzlich an der Notarztgestellung festhält. Damit wird der Wechsel in ein anderes Organisationsmodell erschwert und die Probleme (Abmeldungen, Ausrückeverzögerungen) bleiben bestehen. Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

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3. Klinik beschäftigt externe Notärzte

Die Klinik bedient sich aufgrund des eigenen Arztmangels externer (Honorar-) Notärzte, die sie in der Regel durch Vermittlungsbörsen bezieht. Damit wird zwar das Besetzungsproblem gelöst, jedoch werden damit plötzlich Notärzte in das Rettungssystem eingebracht, die meistens nicht eingewiesen sind und die die lokalen Versorgungstrukturen und Spezialkonzepte nicht kennen. Einige von ihnen besitzen erhebliche professionelle Expertise, andere jedoch sind ungeeignet. Da der kommunale Aufgabenträger dennoch auch für diese Kräfte haftet, ist diese Gestaltungsform fragwürdig.

4. Für Notarztstandort ist kein mitwirkungswilliges Krankenhaus (mehr) vorhanden

Nach einer Kündigung der Vereinbarung zur Gestellung von Notärzten, nach Schließung eines Krankenhauses, oder nach einer Neueinrichtung eines Notarztstandortes ist für die Aufgabenwahrnehmung entweder überhaupt kein oder kein mitwirkungswilliges Krankenhaus vorhanden.

5. Andere Modelle werden von der Kommunalverwaltung nicht realisiert

Die Verwaltung beschäftigt keine eigenen Notärzte. Damit ist eines der Lösungsmodelle nicht möglich.

6. Ungleichgewichte in Kreisen

In einem Kreis ist gemäß § 6 Abs. 2 RettG NRW eine kreisangehörige Stadt Träger einer Rettungswache. An das lokale Krankenhaus hat sie auch einen Auftrag erteilt, das am Krankenhaus stationierte NEF notärztlich zu besetzen. In dem Flächenkreis sind andere Gebiete notärztlich unterversorgt. Die Kreisverwaltung möchte das NEF gerne verschieben, damit die unterversorgten Gebiete schneller notärztlich versorgt werden können, oder sie kann durch eine Standortverlagerung zwei gering ausgelastete NEF-Systeme zu einem besser ausgelasteten Standort zusammenfassen. Die kreisangehörige Stadt bzw. das von ihr mit der Notarztgestellung beauftragte Krankenhaus lehnt dies jedoch ab.

7. Fachärzte einer Klinik wechseln in ein Honorarmodell

Die Klinik hat im Prinzip genügend Fachärzte. Einzelne von ihnen kündigen jedoch und arbeiten dann als externe Honorarkraft an der gleichen Klinik weiter. Damit verdichtet sich die Arbeit für die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen in der Klinik, da die Honorarärzte keine Nachtdienste und sonstigen Klinikaufgaben nur im Tagesbetrieb übernehmen. Die Klinik kann deshalb den Verpflichtungen für die Notarztgestellung nicht mehr (vollumfänglich) nachkommen.

8. Kurzfristiger Bedarf

Aufgrund eines kurzfristigen Bedarfs (z.B. Krankheitsausfall, Notarztbesetzung im Katastrophenschutz, Großeinsatz, etc.) ist es den übrigen (verbliebenen) Notärzten nicht möglich, sich ihrer Dienstverpflichtungen in der Klinik zu entledigen und die Lücke im Einsatzdienst zu schließen. Dieses Problem kann auch in den Kommunen wirksam werden, in denen die Kommunalverwaltung den Notarztdienst grundsätzlich an eine oder mehrere Kliniken vergeben und keine Honorierungsmöglichkeit eines Sonderbedarfs (z.B. Katastrophenschutz) außerhalb des regulären Regelrettungsdienstes vorgesehen hat. Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

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VI. Lösungsvorschläge

Der Landesverband der ÄLRD-NRW zeigt hier neben der traditionellen Krankenhausbeauftragung auch Alternativen im Rahmen der derzeitigen Rechtslage in NRW auf.

1. Standortplanung im Rahmen des § 12 RettG NRW Verfahren

Die Bedarfsplanung eröffnet neben der Deckung eines zusätzlichen Bedarfs auch eine Zusammenfassung räumlich weiter auseinanderliegenden NEF-Standorte. Eine konsequente risikobemessene Standortplanung kann auch helfen das bestehende Standortkonzept zu optimieren und Notarztstandorte – ggf. auch überregional – so zu planen, dass eine optimale Stationierung zu einer gleichmäßigeren und wirtschaftlicheren Versorgung führt.

2. Flottierende NEF Stationierung in den Kreisen

Soweit es zu Besetzungsausfällen eines NEF im Kreis bzw. Stadtgebiet kommt, können die verbleibenden NEF für den Zeitraum flexibel so stationiert werden, dass mit den besetzten NEF eine bessere Gebietsabsicherung möglich wird. Gleichzeitig sinkt damit natürlich die Zahl der vorhandenen NEF, was bei mehreren gleichzeitigen Notarzteinsätzen spürbar wird. Dies setzt den Zugriff der Kreisleitstelle auf die vorgehaltenen NEFs voraus, wobei die Mitwirkenden einverstanden sein müssen.

3. Öffentliche Ausschreibung der Notarztgestellung

Im Submissionsmodell kann auch die notärztliche Besetzung öffentlich ausgeschrieben werden. Ob dies in den betreffenden Regionen zielführend und / oder zu wirtschaftlichen Ergebnissen führt, muss sich zeigen.

4. Eigenbeschäftigung durch den kommunalen Aufgabenträger

Immer mehr Kommunen realisieren die notärztliche Besetzung in Eigenregie (Köln, Münster, Oberbergischer Kreis, Düsseldorf, etc.). Entweder stellen sie hierzu eigene Notärzte an (wobei die Voraussetzungen nach III. vorhanden sein müssen) oder sie beschäftigen lokale Notärzte als Honorarkräfte. Damit haben sie mit Hilfe des Ärztlichen Leiter Rettungsdienst die Möglichkeit auch die Qualität durch Personalauswahl, eigenständige Einweisung und Fortbildung zu erhalten bzw. zu verbessern. Mit der Form als Honorarkräfte lassen sich auch geeignete Ärzte aus einer Region (z.B. auch niedergelassene Kolleginnen und Kolleginnen) mit einbeziehen, wenn sie z.B. schon früher als Notarzt tätig gewesen sind.

Mit der eigenen kommunalen Beschäftigung muss, soweit die Bezahlung von Honorarkräften vorgesehen ist, diese Möglichkeit organisatorisch grundsätzlich geschaffen werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Honorarärzte im kommunalen Zuständigkeitsgebiet einheitlich zu vergüten (Kriterium 5 aus III.).Wenn die Kommune hingegen dem Krankenhaus die Möglichkeit belässt, selbst Honorarkräfte zu beschäftigen, hat sie weder einen Einfluss auf die Qualität noch auf die Honorierung. Damit sind auch erhebliche Honorarunterschiede möglich, die zu einer Preisschraube nach oben führen. Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

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Die fest beschäftigten Notärzte werden bei den Kommunen nach dem TVÖD-Verwaltung und bei den Krankenhäusern nach dem TV-Ärzte/VKA (bzw. AVR in den kirchlichen Krankenhäusern) beschäftigt. Dies führt zu erheblichen Unterschieden in der Vergütung. Hier muss eine Angleichung erfolgen. Die Stadt Köln und der Oberbergische Kreis haben hierzu Ergänzungen am TVÖD vorgeschlagen, die diese Unterschiede ausgleichen. Ansonsten kann das Lösungsmodell „Eigenbeschäftigung" praktisch nicht zur Anwendung kommen, da die Gehaltsunterschiede zu groß sind.

Mit dem Modell einer Eigenbewirtschaftung (feste Beschäftigung oder Honorarkraft) kann auch die Besetzung von Einsatz-Komponenten des Katastrophenschutzes geregelt werden. Dazu sind die entsprechenden Vergütungen und Gestaltungen in die Honorarvereinbarungen mitaufzunehmen.

Daneben eröffnet eine von der Klinikorganisation entkoppelte Organisation des Dienstplans auch die flexiblere Berücksichtigung von qualifizierten Notärztinnen und Notärzten, die im Rahmen der Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen nur sehr eingeschränkt eine feste Anstellung wahrnehmen können.

5. Trägergemeinschaft / Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit

Die Besetzung eines lokalen NEF einer Kommune mit Notärzten, die ausschließlich auf Honorarbasis arbeiten, kommt dann an ihre organisatorischen Grenzen, wenn Krankheits- oder Urlaubsausfälle entstehen, oder wenn die nebenamtlich tätigen Notärzte in der Klinik gebraucht werden. Wenn man dann aus Qualitätsgründen eben nicht auf externe Vermittlungsbörsen zugreifen möchte, bieten sich im Rahmen der kommunalen Gemeinschaftsarbeit noch (mindestens) zwei Lösungsvarianten an.

Variante 1: Besetzung eines NEF in der Nachbarkommune

Im Rahmen der kommunalen Zusammenarbeit kann eine Kommune auch ein NEF einer anderen Kommune besetzen. Dies setzt aber voraus, dass die Kommune, die den Notarzt stellt auch über eine ausreichende Anzahl an Notärzten verfügt. Diese kommunale Gemeinschaftsarbeit ist vertraglich zu regeln. Damit lassen sich die vorhanden Ungleichgewichte (eine Kommune hat ausreichend Notärzte, die andere zu wenige) zwischen den Kommunen ausgleichen.

Variante 2: Libero NEF

Eine Kommune richtet ein sogenanntes Libero-NEF ein, das temporär in eine Kommune verlagert wird, in der ein NEF (z.B. für eine Schicht) ausfällt. Dieses Libero-NEF wird dann – ähnlich wie bei Rettungshubschraubern – für verschiedene Kommunen tätig. Auch diese Möglichkeit ist vertraglich zu regeln. Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst in NRW (LV-ÄLRD-NRW)

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VII. Zusammenfassung

In den letzten Jahren haben sich ausgehend von einem allgemeinen Ärztemangel auch Probleme bei der notärztlichen Versorgung entwickelt. Diese sind bislang noch nicht breit öffentlich diskutiert worden, weil damit sofort die verpflichteten Aufgabenträger und Vertragsnehmer (z.B. Krankenhäuser) in die Kritik kommen. Nach dem der Landkreistag NRW diese Problematik in seinem Forderungs-Papier vom 20.09.2011 thematisierte, hat der Landesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst NRW dies aufgegriffen und ausgehend von der derzeitigen Rechtslage in NRW Möglichkeiten zum bisherigen klassischen Gestellungsmodell durch Krankenhäuser aufgezeigt. Diese weiteren Möglichkeiten müssen auch schon deshalb diskutiert werden, da die vom Landkreistag erhobene Forderung einer gesetzlichen Verpflichtung von Krankenhäusern einen Notarzt zu stellen, schon in anderen Bundesländern fruchtlos waren (Berichte aus Rheinland-Pfalz und Baden- Württemberg). Die Ursache liegt nämlich nicht in einem allgemeinen Unwillen der Krankenhäuser an der notärztlichen Versorgung mitzuwirken, sondern nach Auffassung des Landesverbandes der ÄLRD-NRW am allgemeinen Ärztemangel, der zu vielen unbesetzten Arztstellen in Krankenhäusern geführt hat. Für die Umsetzung dieser Vorschläge, soweit sie lokal als hilfreich eingeschätzt werden, sind ggf. weitergehende Maßnahmen und die Unterstützung durch das zuständigen Ministeriums und der GKV erforderlich. Beispielweise bei der Bildung von Trägergemeinschaften und der Finanzierung der Alternativmodelle.

Die vorliegende Analyse und die Lösungsvorschläge wurden mit der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte in NRW e.V. (AGNNW) einvernehmlich abgestimmt.

Nordrhein-Westfalen, den 14.12.2011

Prof. Dr.med. Dr.rer.nat. Alex Lechleuthner

-Vorsitzender-

Kontaktadresse:

Prof.Dr.med.Dr.rer.nat. Alex Lechleuthner

Berufsfeuerwehr Köln

Institut für Notfallmedizin

Scheibenstrasse 13

50737 Köln

E-Mail: alex.lechleuthner@fh-koeln.de

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