Fall des Monats Januar 2022

Alarmierungsmeldung am Freitag gegen 14:00 Uhr:

Männlicher Patient, 62 Jahre, thorakale Schmerzen,

stationär vor 3- 4 Wochen wegen Lungenembolie

 

Situation vor Ort:

Das NEF trifft aufgrund eines vorangegangenen Einsatzes 5 Minuten nach dem RTW am Einsatzort ein. Einfamilienhaus in der Mitte einer Kleinstadt.

Die Ehefrau (Anruferin) führt die NEF-Besatzung ins Schlafzimmer.

Dort wird ein 62-jähriger deutlich übergewichtiger Mann wach und ansprechbar im Bett liegend angetroffen.

Bei dem Patienten besteht der Zustand nach Oberschenkelamputation rechts vor 3 Monaten bei Zustand nach mehrfachen gefäßchirurgischen Beingefäß-Rekonstruktionen mit letztendlich unzureichendem Ergebnis und Eintritt einer peripheren Gangrän bei fortgeschrittener peripherer arterieller Verschlusskrankheit.

Bei auch relevanter Ischämie der Unterschenkeletage musste die Oberschenkelamputation durchgeführt werden. Bei dem 62-jährigen Mann besteht seit mehreren Jahren ein Diabetes mellitus Typ II (insulinpflichtig). Aufgrund eines rezidivierenden Vorhofflimmerns ist der Patient auf eine Medikation mit einem neuen oralen Antikoagulans (NOAK) eingestellt

 

Knapp 5 Wochen später ist der Patient dann aufgrund einer plötzlich eintretenden Atemnot und rechts betonten Thoraxschmerzen notfallmäßig stationär behandlungsbedürftig geworden.

Im Rahmen der weitergehenden Diagnostik sei eine rechtsbasale Lungenembolie festgestellt worden und eine Phlebothrombose im Bereich der proximalen Oberschenkeletage rechts. Bei der Gefäßdiagnostik hatte sich ein Thrombus in der proximalen Oberschenkelvene (knapp kaudal des Leistenbandes) gezeigt, der allerdings nicht entfernt werden konnte.

Als Komplikation der rechtsbasalen Lungenarterienembolie kam es im Rahmen der stationären Behandlung zur Entwicklung einer Infarktpneumonie im rechtsbasalen Segment mit Notwendigkeit der 10-tägigen intravenösen antibiotischen Kombinationsmedikation.

 

Nun sei der Patient seit 3 Wochen wieder zu Hause und in regelmäßiger hausärztlicher Betreuung. Eine SARS-Cov 2-Boosterimpfung sei vor 2 Wochen durch den Hausarzt erfolgt. Der 62-jährige Mann wird tagsüber über längere Zeiträume aus dem Bett in den Rollstuhl mobilisiert. Eine angiologische Kontrolluntersuchung sei aufgrund des im Bereich der Femoralvene festgestellten Thrombus für die kommende Woche geplant worden.

 

Nun habe der Patient seit dem heutigen Vormittag zunehmende Schmerzen im Thoraxbereich rechtsbetont nahe dem Rippenbogen verspürt, die beim Aufrichten aus der liegenden Körperposition zum Bettkantensitz deutlich verstärkt gewesen seien.

Bei weiterer Schmerzverstärkung habe die Ehefrau schließlich die Rettungsleitstelle angerufen mit daraufhin erfolgter Alarmierung des Rettungsteams.

Als aktuelle Medikation wird mitgeteilt: Kombination aus Altinsulin und Intermediär-Insulin, Antihypertensivum, Schleifendiuretikum, neues orales Antikoagulans.

 

Erstbefund:

Der Patient gibt sein Körpergewicht mit knapp unter 100 kg an bei einer Körpergröße von 172 cm.

Puls der Arteria radialis beidseits zufriedenstellend tastbar. Blutdruck 110/60 mmHg Puls bei 90/min partiell arrhythmisch. Sauerstoffsättigung: 90% Leicht asymmetrische Atemexkursionen der beiden Thoraxhälften bei tiefer Inspiration und Exspiration mit Nachschleppen der schmerzhaften rechten Thoraxseite, wobei insbesondere bei tiefer Inspiration vom Patienten rechtsthorakale Schmerzen im rechten Rippenbogenbereich angegeben werden. Palpatorisch kann im Bereich des rechten Rippenbogens eine mäßige Druckdolenz ausgelöst werden. Bei der Lungenauskultation ist das Atemgeräusch rechts basal bei Schonhaltung leicht abgeschwächt. Rasselgeräusche sind bei der Thoraxauskultation allerdings nicht feststellbar.

Abdomen leicht gebläht, Darmperistaltik regelrecht. Palpatorisch ist keine wesentliche Abwehrspannung im Mittel- und Unterbauch feststellbar. Es dominiert der Schmerzen im rechten Rippenbogenbereich.

 

Kardiale Auskultation unauffällig. Bei der Inspektion und Untersuchung der unteren Extremität ist eine leichtgradige Unterschenkelödembildung links feststellbar.

Der Oberschenkelstumpf rechts ist allenfalls leichtgradig volumenvermehrt.

Tympanal gemessene Temperatur: 38,3 °c.

 

Erstmaßnahmen:

Ableitung eines 12-Kanal-EKGs, das bei Ableitung eines längerem Rhythmusstreifens eine kurzzeitige Arrhythmie als kurze Episode des Vorhofflimmerns zeigt. QRS-Komplexe regelrecht. Keine Ischämiezeichen.

Es erfolgt die Anlage eines peripheren Zugangs im Bereich des Handrückens und die Infusion von 500 ml kristalloider Lösung.

 

Beim Transfer des Patienten aus dem Bett auf die Trage des RTW werden dann erneut Schmerzen im rechten kaudalen Thoraxbereich angegeben.

Bei unveränderter Höhe der Vitalparameter bei der Kontrollmessung wird nun der Transport vorbereitet.

 

 

Verdachtsdiagnose?

 

Fachabteilungsspektrum der Zielklinik?

 

 

Dr.med. Gerrit Müntefering

Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie

Lessingstraße 26

47445 Moers

 

 

 

 

 

 

 

 

5 thoughts on “Fall des Monats Januar 2022

  1. Bei Z.n. Infarktpneumonie und eingeschränkter Immunkompetenz durch den Diabetes denke ich da an ein Pleuraempyem. Optimal wäre eine Zielklinik mit Thoraxchirurgie.

  2. Weiterer Verlauf des Januarfalls 2022 :

    Unter Berücksichtigung der Vorgeschichte wird – wie auch von unseren Kollegen Schiller und Conrad erwogen – eine Komplikation im Zusammenhang mit der abgelaufenen Infarktpneumonie bzw. eine pulmonale Problematik angenommen und ein Krankenhaus mit thoraxchirurgischer Behandlungskompetenz angesteuert.
    Der Transport verläuft ohne Besonderheiten mit weiterhin leicht erniedrigten Vitalparametern ( RR 110/70 mmHg , SaO2 90%).
    Sofort nach Patientenübergabe in der ZNA der Klinik erfolgt die Alarmierung des Notarztes zum Folgeeinsatz.

    6 Stunden später erfolgt dann die telefonische Abfrage des Notarztes in der Klinik nach dem Ergebnis der weiteren Diagnostik bei dem Patienten .
    Die Symptomatik des 62-jährigen Patienten zeigte nach Klinikaufnahme eine rasche Progredienz mit Temperaturanstieg bis 39,5 °.
    Die Thoraxdiagnostik ist jedoch – wider Erwarten – ohne relevanten bzw. erklärenden pathologischen Befund geblieben.
    Die Abdominaldiagnostik zeigte allerdings dann eine ausgeprägte Cholezystitis mit sonografischem Befund eines Gallenblasenempyems, die die Schmerzlokalisation im rechten Rippenbogenbereich bei der präklinischen orientierenden Untersuchung erklärt.
    Eine relevante Abwehrspannung der Bauchdecke hatte zumindest anfänglich nicht vorgelegen.
    Bei beginnender SIRS-Situation erfolgte die intravenöse antibiotische Therapie und die intensivierte Volumentherapie sowie die zeitnahe Einleitung der operativen Sanierung (Laparoskopie mit Cholezystektomie).

    Der Patient kann bei komplikationslosem postoperativen Verlauf 7 Tage postoperativ nach Hause entlassen werden.

    Es zeigt sich, dass eine sorgfältige Anamneseerhebung bei der präklinischen Erstversorgung sicherlich wichtig ist, aber manchmal auch in die falsche Richtung führen kann.

    Dr.med. Gerrit Müntefering
    Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie
    Lessingstraße 26
    47445 Moers

  3. Ein kurzer Blick mit dem Ultraschallgerät hätte geholfen. Sowohl das Pleuraempyem, ein Pleuraerguss, die „feuchte Lunge“ als auch die Cholecystitis hätten sich in kürzester Zeit differentialdiagnostisch abgrenzen lassen können. POCUS hilft!

  4. Hallo Frank !

    das wäre natürlich die optimale Diagnostikstrategie gewesen, die rasche Klärung gebracht hätte.
    Wir wünschen der präklinischen Sonografie rasche Verbreitung.
    Hocus, Pocus ….Volltreffer

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