Telefonreanimation

Auch eine schwere Tür hat nur einen kleinen Schlüssel nötig (Charles Dickens)

 

Der Menschheitstraum, Tote zum Leben zu erwecken, ist bei der Reanimation ein Stück Realität geworden. Allerdings mit Grenzen, die wir im Rettungsdienst regelmäßig spüren. Was nützen alle unsere modernen und auch teuren Maßnahmen, wenn das Gehirn des Betroffenen zu lange ohne Sauerstoff war und damit unumkehrbar geschädigt worden ist.

Bei einem Herzstillstand bleiben bekanntlich nur 180-300 Sekunden, um mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen und das Gehirn zu retten. Wie lange dauert es, bis Zeugen den Notruf wählen, wie lange, bis der Disponent die Fahrzeuge entsenden kann? Wie lange brauchen wir, bis wir ausrücken, den Einsatzort finden und uns jemand die Tür öffnet?

Die Antwort ist, trotz aller Bemühungen: „Immer zu lange!“

 

Um mehr Menschen vor dem unnötigen plötzlichen Herztod zu retten, muss die Hilfe beginnen, bevor wir ankommen. Wir müssen Laien dazu bewegen, Erste Hilfe zu leisten. Spontan kommt es nur etwa bei jedem fünften Einsatz dazu und das kostet jedes Jahr Menschenleben.

Auf den Leitstelle und ihren Mitarbeitern und ihrem Führungspersonal lastet die Verantwortung, hier mehr zu erreichen. In den vielen Rettungsdienstbereichen wurden in den letzten Monaten und Jahren umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen und Trainings absolviert, um durch gezielte Abfrage schneller zu erkennen, ob eine kritische Situation, gar ein Herzstillstand vorliegt und den Anrufer nach erfolgter Alarmierung anzuleiten, lebensrettende Maßnahmen zu ergreifen. In vielen Fällen wurden Anrufer bereits erfolgreich unterstützt.

 

Dabei ist dies alles keine neue Idee. Schon 1985 forderte das „American Journal of Public Health“ die Rettung von mehr Menschen durch Telefon-Reanimation. 1987 bemängelte die Bundesanstalt für Straßenverkehr in einem Gutachten, dass das Fehlen einer „standardisierten Notrufabfrage“ das Erkennen von kritischen Notlagen, die richtige Einschätzung des Kräftebedarfes und das Erteilen von Erste-Hilfe-Hinweisen am Telefon in Deutschland verhinderten.

In den 90er Jahren versuchten viele Leitstellen, vielleicht auch Ihre (?), die Einführung von Sofortmassnahmen-Anleitungen am Telefon. Fast alle scheiterten. Bei der Frage nach dem „Warum“ erntet man heute Schulterzucken – irgendwie klappte es damals nicht.

 

Inzwischen arbeiten viele Leitstellen in NRW an der Umsetzung von „standardisierter Notrufabfrage“ und dem Erteilen von Erste-Hilfe Hinweisen am Telefon. Was aber (noch) fehlt ist eine landesweite Mobilisierung und der dezidierte Wille, dieses Thema als unaufschiebbar anzusehen! Viele andere Projekte haben statt dessen Priorität.

 

Den Verantwortlichen muss klar sein: Ein Scheitern dieser Projekte zur Rettung von hunderten Menschen ist möglich, aber nicht mehr akzeptierbar, denn dafür ist der Nutzen in vielen Studien zu gut nachgewiesen worden.

 

Aber wir müssen es richtig tun: Vor drei Jahren stellte eine Studie aus Amsterdam fest, dass das Abweichen von Disponenten von einem Abfrageschema regelmäßig dazu führte, dass Kreislaufstillstände nicht erkannt wurden. Erkannten die Disponenten die Lage, indem sie sich an ein Abfrageschema hielten, überlebten 9% mehr Menschen den Herzstillstand. Dies wären in NRW jährlich 250 Überlebende mehr.

 

Wir können mehr Menschen vor dem Tod retten, als bisher – die Kollegen der Leitstelle tragen den Schlüssel zu diesem Erfolg!

 

 

Andreas Bohn, stv. Vorsitzender der AGNNW, ÄLRD Münster

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