Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

 

Alarmierungsmeldung
Dienstag 06:30 Uhr: Altenheimbewohner 71 Jahre mit COPD und akuter Dyspnoe

 

Situation vor Ort:

NEF und RTW treffen fast zeitgleich 9 Minuten nach Alarmierung am Altenheim in Kleinstadtmitte ein.

Kurzes Irren des Rettungsteams durch lange Gänge, dann winkt eine Altenpflegerin und führt zu in einem Zweibettzimmer der Kurzzeitpflegestation.

Dort sitzt ein 71-jähriger Mann auf der Bettkante, seine Atemhilfsmuskulatur einsetzend, mäßig dyspnoisch , tachypnoisch und leicht agitiert. Keine Zyanose. Der Patient ist am Vortag im Rahmen der Verhinderungspflege (bei Erkrankung der Pflegeperson) auf der Kurzzeitpflegestation des Pflegeheims aufgenommnen worden. Am Vorabend und in der Nacht gab es – laut Pflegepersonal – keine Auffälligkeiten bei dem Bewohner.

 

Informationen der Pflegedokumentation:

In der Pflegedokumentation der Kurzzeitpflegestation sind folgende Diagnosen des Patienten aufgelistet:
COPD, absolute Arhythmie bei Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie.

Medikation mit Prednisolon und Berodual-DA, Pulmicort-DA, Amlopidin, Marcumar nach INR.

Aktuelle Vorgeschichte :

Der Pat. berichtet in kurzen, abgehackten Sätzen, er habe beim Waschen in der Nasszelle des Zimmers relativ plötzlich Atemnot bekommen. Zuvor sei es mit der Luft so wie immer „mehr recht als schlecht“ gewesen. Seit einigen Tagen auch zeitweilig leichter Hustenreiz mit gelblichem Auswurf. Keine thorakalen oder ausstrahlenden Schmerzen. Kein Fieber. Daraufhin mehrfache Anwendung des Berodual-DA’s, allerdings ohne subjektiv wesentliche Beschwerdebesserung.

 

Erstbefund:

RR: 130/60 mmHg, Pulsfrequenz: 106/min, phasenweise arrhythmisch, AF: 25/min SaO2 84 % .

Auskultatorisch mäßige Spastik links ausgeprägter als rechts, feinblasige RG’s re basal, Leicht rechtsbetonter sonorer Klopfschall.

Es ist eine leichte Rumpfseitneigung nach links erkennbar.

 

Erstmaßnahmen:
Anlage eines intravenösen Zugangs am linken Handrücken

Gabe von 4 Litern Sauerstoff über Maske

EKG-Ableitung:  
Absolute Arrhythmie , Frequenz 100-110 / min mit vereinzelten VES. Unauffällige Endstrecken-Konfiguration.

Das Ultraschallgerät des NEF ist aufgrund eines Defekts des Scanner-Kabels in Reparatur gegangen ohne Lieferung eines Ersatzgerätes.

Nachdem der Patient schon selbst mehrfach das Berodual-DA angewandt hatte, zunächst Gabe von 2 mg Midazolam und 0,09 mg Reproterol i.v. sowie 200 mg Prednisolon fraktioniert.

Hierunter erkennbare Beruhigung des Patienten, Anstieg der O2-Sättigung auf 88 – 89 %, AF ca.  18 – 20/min

 

 

Diagnose?  Differenzialdiagnose?

 

Zielklinik?

 

Dr. Gerrit Müntefering
Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
Lessingstr. 26 

47445 Moers

Röntgen-Bild zur Auflösung

2 thoughts on “Fall des Montas April 2023

  1. Hallo zusammen,
    dem hier präsentierten Untersuchungsbefund kann ich nicht ganz folgen: Was ist gemeint mit „rechtsbetonter sonorer Klopfschall“? Also Normbefund rechts, und was ist links? Gedämpft, oder vielleicht hypersonor? Passenderweise ist das Sono nicht verfügbar, trotzdem würde ich einen Pneumothorax für wahrscheinlich halten. Eine langjährig bestehende COPD lässt Emphysembullae vermuten, von denen eine (z.B. beim beschriebenen Hustenreiz) rupturiert sein könnte. Es wird zwar oft ein kurzes Schmerzereignis beschrieben, aber dessen Fehlen wäre kein Ausschlusskriterium für mich. Der plötzliche Beschwerdebeginn würde passen. DD Pneumonie, LE, kardiale Dekompensation. Wie sieht es aus mit der Temperatur, sind die Halsvenen gestaut? Eine Pneumonie würde nicht so plötzlich einsetzen, und die LE wäre unter Marcumar zumindest nicht so wahrscheinlich. Feuchte RGs werden nicht beschrieben, gibt es periphere Wassereinlagerungen? Das EKG scheint hier nicht wegweisend zu sein. Ist die Seitneigung des Rumpfes eher kompensatorisch, um der besseren Lunge mehr Platz geben oder eher im Sinne einer Fallneigung? Die Sättigung steigt unter O2-Gabe leider nur sehr mäßig an.
    Wenn die weitere Untersuchung und (wiederholte) Ananmese keine anderen Hinweise gibt, gehe ich weiterhin vo einem Pneumothorax aus. Die betroffene Seite ergibt sich hoffentlich aus der erneuten gründlichen Auskultation und Perkussion. Es muss nun festgestellt werden, ob es sich um ein eher statisches oder dynamisches Geschehen => Spannungspneumothorax handelt. D.h. weiter engmaschiges Monitoring mit Gerät und klinischem Auge. Je nach Befund mindestens die potentielle Punktionsstelle für die Entlastung schon einmal markieren, ggf. auch direkt durchführen. Die O2-Rate noch erhöhen, Atemantrieb hat der Patient ja offensichtlch genug. Den O2-Verbrauch möglichst reduzieren durch Vermeidung von Anstrengung und Aufregung => Pat soll nicht selbst laufen, ruhiges Arbeiten des Rettungsteams, empathischen Kontakt zum Patienten halten. Einen venösen Zugang hat der Patient ja schon.
    Mit Anmeldung (Hintergund kann dann ggf. schon alarmiert werden) und Sondersignal zum nächstgelegenen KH, Grundversorgung sollte hier ausreichen.

  2. Weiterer Verlauf des April-Falls 2023:
    Der Patient wird mit beidseitiger Unterstützung auf die RTW-Trage transferiert und mit erhöhtem Kopf-Rückenteil gelagert. In dieser Position keine Zunahme der Dyspnoe. Auskultatorisch nur wenig Spastik bei rechts leiserem Atemgeräusch.

    In der nahegelegenen Klinik mit pneumologischer Abteilung kann eine freie intensivmedizinische Überwachungskapazität telefonisch abgeklärt werden.

    O2-Sättigung (unter Sauerstoff-Flow von 4Litern) bei 89 – 90 %, AF ca. 16 – 18/min. In halbsitzender Körperposition keine prominenten Halsvenen. Der Transport in die Klinik verläuft unproblematisch.

    Übergabe des Patienten an den diensthabenden Internisten der ZNA.
    Der nun durchführbare Ultraschall lässt rechtsseitig das „Seashore-Phänomen“ vermissen. Auf dem Ultraschall-Monitor zeigt sich stattdessen ein Barcodemuster und kein Lungengleiten. Auch B-Linien sind rechtsseitig nicht erkennbar. Das daraufhin veranlasste Thorax-Röntgenbild bestätigt den vermuteten rechtsseitigen Pneumothorax.

    Das Röntgenbild ist in einer leider leicht unscharfen Qualität an die Darstellung des April-Falls angehängt.

    Steffi hat den rechts (im Seitenvergleich) tiefer klingenden Klopfschall und die geschilderte Symptomatik also richtig interpretiert.

    Auf der Intensivstation Anlage einer Thoraxdrainage, die zur suffizienten Entfaltung der rechten Lunge führt und zu einem raschen Beschwerderückgang. Ein pulmonaler Infekt kann nicht nachgewiesen werden.
    4 Tage nach Anlage hat sich der Patient dann in einem kurzen aber heftigen Durchgangsyndrom die Thoraxdrainage selbst entfernt, erfreulicherweise ohne Befundverschlechterung.
    Am 6.stationären Tag kann der Patient beschwerdefrei in die Kurzzeitpflegeeinrichtung zurückverlegt werden.

    Dr. Gerrit Müntefering
    Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
    Lessingstr. 26
    47445 Moers

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