Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Nordrhein-Westfalen

Alarmierungsmeldung für die RTW Besatzung am Sonntag um 15:00 Uhr (weitergeleitete Alarmierung durch die Polizei):

63-jähriger Mann, Verdacht auf Apoplex

Situation vor Ort:

Die RTW-Besatzung (Notfallsanitäter / Rettungssanitäterin) trifft 7 Minuten nach Alarmierung an der Einsatzstelle ein. Der Notruf war durch die Ehefrau des Notfallpatienten zunächst irrtümlicherweise über die 110 abgesetzt worden, so dass ein in der Nähe befindlicher Streifenwagen die Alarmierung aufgenommen hatte und bereits am Einsatzort (Einfamilienhaus) eingetroffen war. Beim Eintreffen des RTW lag ein 63-jähriger Mann in der Küche in Schocklage, betreut durch die Polizei. Die Ehefrau des Patienten berichtete, dass ihr Mann im Rahmen einer Schwindelattacke kollabiert sei. Sie habe ihn jedoch noch rechtzeitig auffangen können, so dass ein Sturz verhindert werden konnte. Der Patient ist wach, ansprechbar und orientiert.

Erstbefund der RTW-Besatzung:

A: Atemwege frei,

B: Atmung regelrecht, Sauerstoffsättigung 96%,

C: Blutdruck (am linken Arm gemessen) :170/80 mmHg, Herzfrequenz 47,

D und E: Wach, orientiert, Pupillen mittelweit, isokor, prompt lichtreagibel,

Blutzucker 119 mg/dl, tympanale Temperatur 36,5°C

Der Patient gibt zunächst nur leichte Schmerzen an, die er zwischen den Schulterblättern lokalisiert (Intensität 1-2/10 NRS). Kurzzeitig später dann allerdings auch Schmerzen im Bereich des linken Armes und Schmerzen im Bereich des rechten Beins.

Bei der Kraftprüfung fällt bei der seitenvergleichenden Testung eine mäßige Schwäche des linken Armes und des rechten Beins auf, die eventuell auch schmerzbedingt mitbegründet sein könnte. Pupillen mittelweit, isokor. Reaktion auf Licht und Konvergenz prompt.

Die Rettungssanitäterin setzt das Monitoring bei dem Patienten fort. Der Transportführer (Notfallsanitäter) fordert aufgrund der persistierenden Bradykardie mit Herzfrequenz bei 47 und der o.g. Extremitätenschwäche den Notarzt nach, legt einen i.v. Zugang 20G in der linken Ellenbeuge und erhebt anschließend die Anamnese.

Anamnese:

Der Patient gibt an, schon lange nicht mehr beim Hausarzt gewesen zu sein. Er teilt mit, dass es ihm bestimmt gleich wieder besser gehe und er dann auch wieder fit und mobil sei.

 

SAMPLER:

Symptoms: leichte Schmerzen zwischen den Schulterblättern, Schmerzen und Schwäche des linken Armes und rechten Beins.

Allergie: keine Allergien bekannt

Medikation: Medikation mit L-Thyroxin und Bisoprolol

Past medical History: Arterielle Hypertonie, Schilddrüsenunterfunktion

Last oral intake: Frühstück gegen 9:00 Uhr

Events Prior to Incident: Keine Auffälligkeiten am Vormittag und an den Tagen zuvor

Risk factors: Raucher

FAST-Test:

Face: Gesichtsmimik zunächst unauffällig

Arm: Angedeutete Absinktendenz des linken Arms.

Speech: Zunächst keine Artikulationsstörungen.

Time: Die zeitliche Entwicklung dieser Symptomatik ist bekannt

Von der Rettungssanitäterin wurde aufgrund dieser Befundkonstellation zur weiteren Differenzialdiagnose der Blutdruck am rechten Arm gemessen: RR 107/70 mmHg.

10 Minuten nach Alarmierung trifft der Notarzt an der Einsatzstelle ein. Der Transportführer informiert den Notarzt umfassend über den bisherigen Verlauf.

Während der Übergabe treten beim Patienten nun auch Sprachstörungen auf, ein hängender Mundwinkel und eine Hemiparese rechts sowie eine deutliche Vigilanzstörung.

Der Patient kann trotz Artikulationsstörung neu aufgetretene Schmerzen im Nackenbereich und im LWS-Bereich mitteilen.

Weitere präklinische Befunderhebung?

Arbeitsdiagnose?

Zielklinik?

Sara Winschermann Rettungssanitäterin, Oberhausen

Jürgen Schmitz Notfallsanitäter, Willich

 

3 thoughts on “Fall des Monats Februar 2025

  1. weiter präklinische Befunderhebung: 12-Kanal EKG aufgrund AP Symptomatik
    Arbeitsdiagnose: Apoplex, Ap-Symptomatik
    Zielklinik: Neurologie und Kardiologie

  2. Falls präklinische Sonografie verfügbar:

    TTE mit Fragestellung nach Aortenklappen Insuffizienz/Perikarderguss/Dissektions-lamelle?

    Bei „wandernder“ neurologischer Symptomatik/Blutdruckdifferenz/Schmerzen zwischen den Schulterblättern und Risikofaktoren Hypertonus und Nikotinabusus:

    V.a. Aortendissektion Standford Typ A

    Zielkrankhaus: Voranmeldung Schockraum / Maximalversorger insb. (Thorax/Herz/Gefäßchirurgie)

    Transportpriorität plus 2 groß-lumige PVKs, keine Antikoagulation, keine Tranexamsäure, falls doch ischämischer Stroke.

  3. Weiterer Verlauf des Februarfalls 2025:

    Die Notwendigkeit des Patiententransports in eine Klinik mit erweitertem Behandlungsspektrum ist von Pia und auch von Stephan nachvollzogen worden.
    Stephan hat dann den Nagel auf den Kopf getroffen.

    Ein Sonographie-Gerät stand präklinisch nicht zur Verfügung. Aufgrund der Befundentwicklung kam als Arbeitsdiagnose einerseits ein Apoplex bzw als Differentialdiagnose eine Hirnblutung infrage, allerdings gab es ja auch Hinweise für eine Aortendissektion. Aus diesem Grund wurde nach Falldiskussion im Team (CRM) ein Klinikum der Maximalversorgung mit Neurologie, Neurochirurgie und kompetenter Gefäßchirurgie als Zielklinik ausgewählt. Der Transport aus der Wohnung gestaltete sich durch das beengte Treppenhaus sehr schwierig. Zum Transport wurde zeitnah ein zweiter RTW zur Tragehilfe nachgefordert. Beim Transport im Treppenhaus trat eine akute Übelkeit und Erbrechen des Patienten auf. Der Folgezeit daraufhin intravenöse Gabe von Ondansetron.
    Durch diese Widrigkeiten konnte die Abfahrt ins Zielkrankenhaus erst ca. 60 Minuten nach Erstalarmierung erfolgen.

    Das Zielkrankenhaus wurde nach einer Gesamt-Einsatzzeit von 1 Stunde und 20 Minuten erreicht.

    Am Folgetag war eine Nachfrage im angesteuerten Klinikum zum weiteren Verlauf möglich.
    Es wurde eine Aortendissektion Typ A nach Stanford festgestellt die von der linken Arteria carotis communis bis in die rechte Arteria femoralis reichte.
    Die Notfalloperation des Patienten hatte angabegemäß 8 Stunden gedauert.
    Bei anhaltend kritischem Zustand und akuter Zustandsverschlechterung ist der Versicherte am Folgetag verstorben.

    Im Resümee hat die rasche Aufarbeitung der geschilderten Befundentwicklung (mit neuer Symptomatik) im Team letztendlich zur richtigen Wahl der Zielklinik geführt, wobei das geschilderte Outcome trotz kompetenter klinischer Weiterversorgung wohl nicht zu verhindern war.

    Sara Winschermann Rettungssanitäterin, Oberhausen

    Jürgen Schmitz Notfallsanitäter, Willich

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