Fall des Monats Oktober 2017

Einsatzmeldung (August / Sonntag-Nachmittag):

Patient in Arztpraxis mit Tachykardie / Kollaps

Erst-Informationen bei Eintreffen in der Praxis:

Hochsommerliche Temparaturen 33 °, aber eher schwüles Klima.

NEF und NAW treffen 7 Minuten nach Alarmierung in der Praxis des Hausärztlichen Notdienstes ein.

Der diensthabende Allgemeinmediziner berichtet, dass sich vor 30 Minuten ein 65-jähriger Mann mit Herzrasen und leichtem Schwindel in der Notdienstpraxis vorgestellt hat.

Bei dem Patienten sei eine angebegemäß medikamentös gut behandelbare art. Hypertonie bekannt. Die antihypertensive Medikation sei bisher mit ACE-Hemmer und kaliumsparendes Diuretikum erfolgt.

Erstdiagnostik in der hausärztlichen Notdienstpraxis:

Der 65-jährige Patient hätte bereits beim Betreten der Notdienstpraxis geschwächelt und leicht getaumelt. Daraufhin habe man ihn daraufhin sofort auf die Untersuchungsliege gelegt.

Der Puls des Patienten sei hochfrequent gewesen bei 140-150 / Min.

RR 105 / 60 mmHg.

Man habe daraufhin sofort eine EKG-Ableitung durchgeführt:

Hier sei eine Tachykardie mit engen Kammerkomplexen und (soweit beurteilbar) unauffälligen Kammer-Endstreckenverläufen erkennbar gewesen.

Frequenz habe bei 150 Aktionen / Minute gelegen.

Zu diesem Zeitpunkt habe aber leider nur ein EKG-Streifen (Ableitung 2) mit dem portablen EKG-Zweitgerät abgeleitet werden können, da der EKG-Printer des stationären EKG-Geräts 2 Stunden zuvor bereits ausgefallen sei.

Auch eine Speicherchip-Registrierung kann nicht abgerufen werden, da das technische Know-how der Anwesenden für das vorhandene EKG-Gerät nur mäßig ist .

Erstbehandlung in der hausärztlichen Notdienstpraxis:

Aufgrund der gesehenen symptomatischen Tachykardie habe der diensthabende Allgemeinmediziner eine Butterfly-Kanüle gelegt und zunächst eine Ampulle Isoptin (Verapamil) i.v. injiziert.

Nach der Isoptin-Injektion habe die Tachykardie allerdings weiterhin bestanden. Dehalb habe er eine 2. Ampulle Isoptin intravenös nachinjiziert.

Der Patient habe daraufhin über stärkeren Schwindel und Schwäche geklagt, so dass der niedergelassene Allgemeinmediziner nun doch eine Krankenhaus-Überwachung für notwendig hielt und die Rettungsleitstelle anrief, um einen Krankentransport einzuleiten. Die Leitstelle habe jedoch aufgrund der geschilderten Symptomatik das NEF / RTW-System in Marsch gesetzt.

Erstbefund bei Eintreffen des Notarztes:

Der 65-jährige Patient liegt auf der Untersuchungsliege. Beim Versuch, den Oberkörper aufzurichten, sinkt der Patient wieder zurück auf die Untersuchungsliege.

Die EKG-Elektroden sind von den Arzthelferinnen anweisungsgemäß bereits wieder entfernt worden, um den Transport nicht zu behindern. Die Butterfly-Kanüle in der Ellenbeuge sei aufgrund eines Unruhezustands des Patienten vor 5 Minuten leider para gegangen.

Blutdruck des Patienten: 80 / 50 mmHg

Frequenz 120 / Min.

Frage :

Weiteres Procedere ?

 

Eingereicht von

Dr. Gerrit Müntefering

Arzt für Chirurgie / Unfallchirugie / Notfallmedizin

Lessingstr. 26

47445 Moers

 

 

3 thoughts on “Fall des Monats Oktober 2017

  1. Als kleine Vorbemerkung: Ein sehr deutliches Gespräch mit dem Kollegen nach dem Einsatz halte ich für mehr als angebracht, hierbei sollte man seine nicht vorhandene Kompetenz in Bezug auf die Versorgung von HRST sowie die Vitalgefährdung eines Patienten durch sein fehlerhaftes Handeln nicht unerwähnt lassen.

    Zur Situation: 

    Ein Patient stellt sich mit Tachykardie, Schwindel und Präkollaps vor. Anamnestisch wichtig sind die Vormedikation und das Wetter. Leider fehlen sonst jegliche weitere Angaben über körperl. Untersuchung und Zusatzdiagnostik. (Temperatur? Pulmo? BZ? spO2? Allergien? Exsikkose? Verletzungen?). Dafür wird aber ein EKG angefertigt, in dem ein lupenreiner Sinusrhythmus zu erkennen ist. Auffällig zudem ein zeltförmiges T. 

    Zusammengefasst wird es sich höchst wahrscheinlich um eine Exsikkose handeln (heißes Wetter, Diuretika), wahrscheinlich mit relevanter Elektrolytentgleisung (Hyperkaliämie?!). Probatorisch hätte ich hier zunächst einen Volumenbolus gegeben und den Patienten in ein Krankenhaus eingewiesen.

    Da der Kollege sich aber für ein potentes Antiarrhythmikum mit u.a. negativ inotoper Wirkung entschieden hat (warum eigentlich, was wollte er denn rhythmisieren?? Den RR weiter zu senken war hoffentlich zumindest nicht seine Absicht) und um auf Nummer sicher zu gehen dann gleich zwei Ampullen verabreicht, stehe ich als Notarzt nun vor einem Patienten mit erwartungsgemäß noch schlechterem AZ. 

    Da die Grundproblematik (dd Exsikkose / Elektrolytentgeleisung, dd Sepsis, dd LAE, dd …) bei o.a. Angaben nicht enger zu fassen ist würde ich aus der Ferne einen großvol. Zugang legen und zügig Vollelektrolytlösung geben. Bei der bestehenden Tachykardie und möglichen Hyperkaliämie wäre ich zur Vermeidung höhergradiger HRST mit pos. ionotropen (und somit meist auch pos. chronotropen) Medikamenten eher zurückhaltend. Unter Monitoring und Defibereitschaft Transport zur nächstgelegenen Inneren Medizin mit ITS-Kapazität.

    Tel.-Nummer des Kollegen nicht vergessen 😉

  2. Die Therapie des Kollegen vor Ort halte ich auch für unangebracht und gefährlich.

    Hier liegt ein Sinusrhythmus vor. Hinweise auf eine AVNRT sehe ich nicht, einige Kleinigkeiten scheinen Artefakte zu sein.

    Ein 12-Kanal wäre schön gewesen. Auffällig ist das P mit der hohen Amplitute (P pulmonale). Weitere Anamnese (Luftnot, Druckgefühl) wäre wichtig. LAE im Hinterkopf behalten. 

    Zwei großvolumige Zugänge, Vollelektrolyt, 12-Kanal, Sättigung und ab ins KH. Je nach weiterer Anamnese vor Ort und ggf. Befunde noch Heparin 5000 IE i.v. sofern der Patient nicht antikoaguliert ist oder andere Kontraindikation hat bzw.

    Ein gutes Beispiel dafür, dass blinder Eifer auch Schaden kann. 

  3. Weiterer Verlauf des Oktoberfalls 2017

     

    Der Notarzt am Einsatzort auf eine Kommentierung der hausärztlichen Vorgehensweise verzichtet, allerdings in einem späteren Telefonat mit dem niedergelassenen Allgemeinmediziner klare Worte zu dessen Behandlung geäußert.   

     

    Notärztliche Behandlung in der Arztpraxis:

    Nach Legen eines intravenösen Zugangs, suffizienter Infusionstherapie und anschließender noch notwendiger i.v. Gabe von Dobutamin über Perfusor in titrierend ansteigender Dosierung lässt sich der Zustand des Patienten langsam verbessern, so dass der RTW-Transport in ein Krankenhaus mit kadiologischer Abteilung ohne Probleme verläuft.

    Auch in der Klinik kann nach ITS-Aufnahme eine weitere Zustandsverbesserung des Patienten festgestellt werden

    Nach 4-stündiger Intensiv-Überwachungsphase ist bereits eine Verlegung auf die Normalstation möglich.

    Am 2. stationären Behandlungstag kann der patient aus der stationären Behandlung entlassen werden.

     

    Dr. Gerrit Müntefering
    Arzt für Chirurgie / Unfallchirugie / Notfallmedizin
    Lessingstr. 26
    47445 Moers

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