Fall des Monats Januar 2013

Alarm an einem Herbstabend gegen 20:00 Uhr für RTW und NEF. Stichwort ist „Kreislauf“.

Beim zeitgleichen Eintreffen von RTW und NEF öffnet ein junger, nur mit einer Jeanshose bekleideter Mann die Tür, und führt die Besatzung ins Schlafzimmer. Auf dem Bett liegt eine 17-jährige Frau, die nur mit einem Slip und einem T-Shirt bekleidet ist. Die beiden sind gelöst und eigentlich gut gelaunt. Der Mann berichtet, man habe gerade zum ersten Mal Sex miteinander gehabt. Plötzlich sei der jungen Frau dabei ganz schwindelig geworden und ein ganz merkwürdig kribbeliges Gefühl sei ihr durch den Körper gefahren. Jetzt fühle sich immer noch alles ein bisschen kribbelig an, und wenn sie aufstehen wolle, würde ihr ein bisschen schwindelig. „Ich muss doch nicht mit ins Krankenhaus oder? Meine Eltern dürfen nichts hiervon erfahren.“

Was jetzt?

1. Sie gratulieren der jungen Frau zu ihrem ersten Orgasmus, klopfen dem jungen Mann anerkennend auf die Schulter und verlassen die Wohnung.


Die Frau wird verkabelt und der Blutdruck wird gemessen. Der Radialispuls ist nicht sicher palpabel, der Blutdruck liegt bei 70/40mmHg. Das angeschlossene EKG zeigt folgendes Bild:

Die Frequenz liegt bei 240/min.

Auf Nachfrage werden bekannte kardiale Vorerkrankungen verneint, ein Onkel sei aber jung an plötzlichem Herztod verstorben.

Weiteres Prozedere?

 

 

Eingereicht von:

Dr. med. Roshan Mamarvar

Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Notfallmedizin
Katholisches Krankenhaus Dortmund West
Zollernstraße 40
44379 Dortmund

2 thoughts on “Fall des Monats Januar 2013

  1. Hallo liebe Kollegen,

    die hier dargestellte Kasuistik beschreibt am ehesten das Vorliegen einer “Torsade-de-Pointes-Tachykardie“ (Spitzenumkehrtachykardie) vermutlich basierend auf einem angeborenen Long-QT-Syndrom. Differentialdiagnostisch kommen andere Arten einer ventrikuläreren Tachykardie, sowie SVT mit aberranter Überleitung in Betracht. Als Ursache dafür kommen E'lyt-Störungen verschiedener Art, strukturelle Herzerkrankungen, sowie Medikamenteneinnahmen in Frage, was anamnestisch jedoch nicht ausreichend in Erfahrung gebracht werden kann.

    Annehmbar ist, dass ein im Rahmen der sexuellen Erregung stattgehabter Orgasmus der jungen Dame, vermittelt durch den sympathischen Schenkel ihres vegetativen Nervensystems, bei ihr eine Tachykardie ausgelöst hat, welche auf Grundlage eines angeborenen Long-QT-Syndroms in Torsade-de-Pointes resultierte. Passend hierzu berichtet die Patientin über Schwindel, der beim Versuch aufzustehen auch an eine Präsynkope denken lassen muss. Des weiteren lässt es die Familienanamnese der jungen Frau zu, dieselbe vererbbare Herzerkrankung als Hintergrund für den plötzlichen Herztod ihres Onkels durch Degeneration in Kammerflimmern zu vermuten. 

    Therapie der Wahl ist präklinisch, nach vollständiger Erhebung der Vitalparameter sowie weiterer Messwerte wie z.B. BZ, AF etc. und Durchführung entsprechender Basismaßnahmen, die i.v.-Applikation von 1-2g Magnesiumsulfat über 15 Minuten unter engmaschiger Kontrolle der Herz-Kreislauf- und Atemfunktion. Bei akut auftretender Instabilität kann eine Elektrokardioversion, oder sogar Defibrillation im Rahmen von CPR-Maßnahmen notwendig werden. Weitere Antiarrhythmika sind zurückhaltend einzusetzen. Jedoch kann als Rezidivprophylaxe nach Wiederherstellen eines Sinusrhythmus in Hinblick auf das aufgrund des geringen Alters der Patientin vermuteten angeborenen Long-QT-Syndroms ein ß-Rezeptor blockierendes Kardiakum eingesetzt werden, um den sympathikusvermittelten Trigger für erneute Herzrhythmusstörungen zu dämpfen.

    Sobald als möglich sollte der notärztlich begleitete Transport der medizinisch überwachten Patientin in eine Klinik mit kardiologischer, oder im Idealfall sogar elektrophysiologischer Abteilung erfolgen.

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