Fall des Monats Januar 2016

Alarmierungsmeldung Freitag 03:00 Uhr nachts:

Männlicher Patient mit Herzrhythmusstörungen

Weitere Vorinformation der Rettungsleitstelle während der Anfahrt:

Patient mit ICD und wiederholter Schock-Auslösung

Situation am Einsatzort:

Das NEF trifft erst 9 Minuten nach Alarmierung am Einsatzort ein, da es sich um ein versteckt gelegenes Bauerngehöft handelt.

Vor dem Haus stehen Vater und Sohn in Strassenkleidung. Notfallpatient ist der 79-jährige Vater. Er erscheint auf den ersten Blick nicht vital gefährdet, ist ansprechbar und orientiert, eine Dyspnoe besteht nicht. Bei der Pulspalpation ist der Puls arrhythmisch, leicht tachykard , gut tastbar. Er wird von den Rettungsassistenten in den RTW transferiert.

Vorgeschichte:

Bei dem 79-jährigen Patienten besteht eine koronare 3-Gefäß-Erkrankung mit Z.n. Myokardinfarkt und Stent-Implantation 2004..

Bei in der Folgezeit festgestellter dilatativer Kardiomyopathie mit signifikanter Arrhythmie-Gefährdung wurde der Patient im Jahr 2006 bei Erfüllung der MADIT II-Kriterien im Universitätsklinikum aufgenommen zur ICD-Implantation.( 1-Kammer-ICD).
Kurzinformation zur MADIT-Studie:

Die MADIT II – Studie ( = Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial ) konnte zeigen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit für Patienten mit deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion ( LVEF < 35 %)  nach Myokardinfarkt durch den Einsatz eines ICD deutlich verbessert wird.

Aktuelle Medikation : Enalapril, Torasemid, Concor , Magnesium, ASS 100.

Der im Jahr 2006 implantierte ICD hatte bisher noch nie ausgelöst / geschockt. Der ICD wurde noch im Vormonat kontrolliert mit zufriedenstellenden Messwerten.

Der Patient hatte im Verlauf des vorangegangenen Tages leichte, aber nicht als Belastung empfundene Hofarbeiten durchgeführt. Bei zunächst ungestörter Nachtruhe wurde der Patient gegen 02:30 Uhr von dem ersten Schockimpuls des ICD aus dem Schlaf gerissen.  Unmittelbar nach Schockabgabe empfand der Patient aber keine thorakalen Schmerzen keine Kreislaufdysregulation, keine Schwindelsensationen.

In den darauffolgenden 15 Minuten kam es allerdings  dann zu 5 weiteren Schockimpulsen in zunehmend kürzeren Zeitintervallen. Auch in dieser Phase werden keine anhaltenden thorakalen Schmerzen, keine Palpitationen, keine Schwindelsensationen und  keine Schwäche  empfunden. Aufgrund dieser mehrfachen Schockimpulse erfolgte die Alarmierung der Rettungsleitstelle.

 

Erstbefund:

Der Patient reagiert adäquat auf Ansprache. Kommunikation ist gut möglich. Thoraxschmerzen oder in den Arm, in die Halsregion und ins Epigastrium ausstrahlende Schmerzen werden verneint.

RR 140 / 80 mmHg , Puls palpatorisch arrhythmisch mit teilweise längeren Pausen Frequenz um 90 -110 / min. SaO2: 92 %.

 

Das abgeleitete EKG zeigt den nachfolgenden Befund:

Erstmaßnahme:

Sofortige Anlage eines i.v.-Zugangs.

Weiteres Procedere?

3 thoughts on “Fall des Monats Januar 2016

  1. Die wahrscheinlichste dd ist in meinen Augen ein electrical storm mit wiederholten Schockabgaben bei rez. VTs.

    Mgl. Trigger wie z.B. Hypokaliämie und ein erhöhter Sympathikustonus sollten ausgeschaltet werden. (Hypokaliämie natürlich erst im KH sicher erfassbar) Der Pat. einen Beta-Blocker in der Vormedikation; hat er diesen regelmäßig eingenommen?

    Ein 12-Kanal-EKG sollte noch abgeleitet werden, um nach Ischämiezeichen zu suchen, und ggf. die Rhythmusstörung zu erfassen.

    Mgl. Therapie: Metoprolol i.v., Abschirmung/Sedierung, ggf. Magnetauflage, cave: dann muss evtl. von extern elektrisch therapiert werden. Falls bis dahin keine Wirkung, Amiodaron i.v.

    Transport in die nächste Kardiologie mit Intensivanmeldung zum Auslesen und ggf. Umprogrammieren des ICDs, mit weiterführender Diagnostik und Therapie.

  2. Offensichtlich adäquate Schockabgabe bei rez VTs. Möglicherweise hat der AICD dem Patienten das Leben gerettet.

    engmaschiges Monitoring, Amiodaron 300 mg langsam i.v. Milde Analgosedierung. Sauerstoffgabe 

    Zuweisung zu kardiologischem Zentrum mit akut-pci Option , auch wenn Ischämie anamnestisch nicht wahrscheinlich, so muss diese letztlich ausgeschlossen werden 

  3. Auflösung Fall des Monats Januar 2016

    Der Allgemeinzustand des 79-jährigen Patienten ist trotz des durchaus besorgniserregenden EKG’s nicht nennenswert beeinträchtigt . Die Kreislaufparameter sind stabil. Vom ICD werden seit der Anwesenheit des Notarztes keine Schock-Impulse abgegeben. Der Weg zur nächsten kardiologischen Klinik  beträgt ca. 15 Minuten.
    Unter Berücksichtigung der Befundlage wird Amiodaron aufgezogen und nach dem Grundsatz „Therapiere den Patienten und nicht das EKG“ wird langsam titrierend eine halbe Ampulle (75 mg) injiziert. Der Transport in die Klinik verläuft unauffällig. Während des Transports durchweg stabile Kreislaufparameter. Vereinzelte Couplets sind im EKG-Verlauf noch selten erkennbar. 
    In der Kardiologischen Aufnahme erfolgt im Rahmen der klinischen Weiterversorgung eine Weiterführung der Amiodaron-Medikation (Injektion weiterer 150 mg).

     

    Der Patient  kann nach anfänglicher Intensiv-Überwachung bereits am Folgetag bei rasch normalisiertem EKG auf die periphere Station verlegt werden. Die Remobilisierung verläuft problemlos. Eine weitergehende Diagnostik mit Langzeit-Monitoring wird eingeleitet führt aber nicht zu einer Änderung der medikamentösen Vorbehandlung.

    Der Patient kann nach 1 Woche aus der stationären Behandlung entlassen werden.

    Dr. Gerrit Müntefering
    Arzt für Chirurgie / Unfallchirurgie / Notfallmedizin
    Lessingstr. 26
    47445 Moers

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert