Fall des Monats August 2015

Wiedergabe eines Falls aus zweiter Hand:

Eine 54-jährige Hausfrau sucht die Vertreter-Praxis ihres im Urlaub befindlichen Hausarztes auf wegen plötzlich im Laufe des vorangegangenen Tages aufgetretener „Atemnot“. Sie hatte  in den letzten Tagen auch leicht erhöhte Temperaturen gemessen und auch ein wenig Husten mit Produktion von weißlichem Schleim gehabt.

Bei der Thoraxauskultation stellt der niedergelassene Internist (Vertreter des Hausarztes) eine geringe Spastik bds. basal fest bei etwas verlängertem Exspirium und dokumentiert auch trockene RG’s . Der Blutrduck der Patientin liegt im Normbereich, Herzaktion rhythmisch bei 90 / min. Leichtgradige Unterschenkelödeme bds. (re  etwas deutlicher als links)
Bei bekannter endogener Depression wirkt die Frau bei der Praxiskonsultation etwas ängstlich und weinerlich.
Unter der Annahme einer Infekt-exacerbierten asthmoiden Bronchitis erhält die Frau im Rahmen regelmäßiger Wiedereinbestellungen an den folgenden  3  Tagen Broncholytika , Cortikosteroide ,ein orales Antibiotikum sowie Sekretolytica.
Schon am 2. Behandlungstag wirkt die Patientin gelöster, sie berichtet, die Luftnot sei schon etwas besser geworden.

Nach der 3. Infusion stellt sie sich in der hausarztlichen Vertreter-Praxis dann nicht mehr vor.

4 Tage später ist der gleiche Internist am Wochenende in seiner Nebentätigkeit als Notarzt im gleichen Bezirk eingesetzt. Unter dem Einsatzstichwort „schwere Atemnot“ wird er nun zu der ihm bekannten, 3-tägig behandelten Patientin gerufen.

Sie berichtet, dass sie seit einigen Stunden wieder schwere Luftnot, verbunden mit thorakalen Schmerzen verspüre, die in den linken Arm ausstrahlen.

RR   145/90 mmHg, F:  100/min,  SaO2 94% unter Raumluft.

Pulmo:  auskultatorisch  keine Rasselgeräusche, keine Spastik.

Temperatur ( Ohrthermometer ): 38,0° c

Ableitung eines 12-Kanal-EKG’s::  Grundlinie des EKG’s leicht verzittert. Sinusrhythmus ohne infarktspezifischen Endteilveränderungen. Es besteht eine inkompletter Rechtschenkelblock und eine trotz des  leicht verzitterten Ekg’s  erkennbare  flache T- Negativierung in den Ableitungen V1 und V2

Leichte Unterschenkelödeme bds. (rechts etwas deutlicher als links).

Nach Nitro-Gabe sublingual keine richtungsweisende Beschwerdeänderung.

Die Wohnung der Patientin befindet sich in der Nähe des örtlichen Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung, wohin die Patientin auch transportiert werden möchte..

Aufgrund der kurzen Transportdistanz wird vom Notarzt auf jede weitere Medikation verzichtet und die Patientin unter 02-Gabe und Monitoring  transportiert.

 

Hier liegt – wie häufiger im Notarztdienst anzutreffen – ein präklinisch nicht klar einzuordnendes Beschwerdebild vor.

 

Welche Diagnose käme in Betracht ?

3 thoughts on “Fall des Monats August 2015

  1. Dyspnoe, RSB, Negativierungen, beginnende Tachykardie, nahezu suggestiv für eine Lungenembolie. Ich hätte vermutlich am Einsatzort noch das EKG mit V7-V9 und Vr3-Vr6 komplettiert. Hoffen wir, dass es kein dd noch in Frage kommender RCA-Infarkt ist, ich hätte vermutlich lieber kein Nitro (stattdessen MSI) gegeben in dieser undurchsichtigen Situation. Wohl würde ich aber vermutlich zu Heparin greifen, nicht falsch egal was es nun von den beiden naheliegenden DD ist. 

  2. VD: Unklare Thoraxschmerzen, dd LE dd ACS dd Pleuritis

    Transport in das nächste geeignete KH der Grund- und Regelversorgung.

    Therapie: Heparin, warum nicht; ggf. ASS (der Eine wirds geben, der Andere nicht, je nach Gewichtung der DD), Nitro (hat offensichtlich nicht geschadet, aber auch nicht genutzt), additiv wäre eine symptomatische Schmerztherapie mit z.B. Novalgin noch wünschenswert. Über Morphin kann man diskutieren (Anaglesie, euphorisierende Wirkung, etc.), bei kurzem Transportweg kann man zunächst aber auch darauf verzichten, und falls die Beschwerden in der Klinik nicht besser werden, dies dort ergänzen.

    In der Klinik: Labor u.a. mit Herzfermenten, Entzündungswerten und D-Dimeren (falls keine deutliche Erhöhung der Infektwerte), 12-K-EKG, Rö-Tx sowie ggf. falls in der Notaufnahme vorhanden und durch die vorhergehende Diagnostik keine Diagnosefindung mgl. Pleurasono und orientierende Echokardiographie. Danach Entscheidung über invasivere Methoden wie CT-Thorax oder ggf. sogar Linksherzkatheter.

  3. Weiterer Verlauf des August-Falls 2015: Nach 4 Minuten wird die Krankenhaus-Aufnahme erreicht. RR 130/ 90 mmHg, F: 100/min, SaO2 90 % Pulmo: auskultatorisch keine Rasselgeräusche, keine Spastik. Nochmalige Ableitung eines 12-Kanal-EKG’s: Sinusrhythmus ohne infarktspezifischen Endteilveränderungen. Es besteht ein inkompletter Rechtschenkelblock und eine flache T- Negativierung in den Ableitungen V1 und V2 BGA: O²-Sättigung 88 % , pO² 52 Torr , pCO² 30 Torr. Troponin : 0,1 Die ermittelten Entzündungswerte und D-Dimere weisen auf eine Lungenembolie und eine entzündliche Reaktion hin. Unter dem Verdacht auf eine Lungenembolie wird vor Einleitung der Heparin-Therapie unverzüglich ein Thorax-CT veranlasst:

     

    Die CT-Aufnahmen zeigen Lungenembolien bds. mit begleitenden Infarktpneumonien Einleitung der Heparinisierung ( später orale Antikoagulantien-Therapie) zunächst Monitoring auf der intensivstation. Bei rascher Befundbesserung und Rückgang der Entzündungsparameter unter antibiotischer Medikation und Atemgymnastik dann stufenweise gesteigerte Remobilisierung der Patientin unter physiotherapeutischer Führung Nach 14 Tagen kann die Patientin das Krankenhaus pulmonal beschwerdefrei verlassen. Eine Emboliequelle kann nicht ausgemacht werden : weder eine Beinvenenthrombose noch ein Tumorleiden oder eine Gerinnungsstörung werden gefunden. Die Lungenembolie ist nach Angaben eines renomierten Mediziners das “Chamäleon der Kardiologie “ Dr. Gerrit Müntefering Arzt für Chirurgie / Unfallchirugie / Notfallmedizin Lessingstr. 26 47445 Moers

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