Fall des Monats Juni 2015

Weisungsbefugnis von Leitenden Klinikärzten im Bezug auf das Transportmedium und damit das Zeitmanagement bei einem dringlichen Sekundärtransport

Ein mitgeteilter Fall (aus zweiter Hand)

Die Notarztalarmierung erfolgt am frühen Nachmittag aufgrund des cerebralen Krampfanfalls einer 36-jährigen Frau in der Fußgängerzone.

Bei Eintreffen des Notarztes am Einsatzort (3 Minuten nach Alarmierung) noch weiterbestehende Krampfsymptomatik der Patientin, die in Rückenlage auf dem Grünstreifen seitlich des Gehweges der Fußgängerzone liegt-

Es zeigt sich das Bild eines generalisierten Krampfanfalls mit klonischen Extremitätenbewegungen. Ein bei Krampfbeginn abgelaufenes schwerwiegenderes Sturzereignis ist eher nicht anzunehmen, die der Sturz der 36-jährigen Frau mit großer Wahrscheinlichkeit durch dichtes Strauchwerk im Grünstreifenbereich abgefangen wurde.

Aufgrund der noch persistierenden Krampfsymptomatik erfolgt die sofortige Gabe von Midazolam über MAD intranasal, woraufhin die Krampfsymptomatik schließlich beendet werden kann.

Nun ist ein gründlicher Bodycheck bei der 36-jährigen Frau möglich. Hierbei zeigen sich dann auch keine Hinweise auf Sturztrauma. Die Patientin ist allerdings postiktal von der Vigilanz noch stärker eingetrübt. Sie reagiert dennoch gerichtet auf Schmerzreize im Extremitätenbereich. Die Pupillen sind zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung mittelweit mit prompter Reaktion auf Licht und Konvergenz. Blutdruck 160/90 mmHg, Puls 110/min mit rhythmischer Herzaktion. Sauerstoffsättigung bei 91%.

Nach Anlage eines intravenösen Zugangs wird die weiterhin somnolente Patientin in die nahe gelegene  Klinik mit neurologischer Abteilung und CT-Möglichkeit transportiert.

Nach Übergabe der Patientin in der zentralen Notaufnahme ist bei der weiterhin eingetrübten Frau nun allerdings eine leichte Pupillendifferenz (links größer rechts) erkennbar . Daraufhin sofortige Einleitung einer Schädel-CT-Untersuchung.  Im Schädel-CT  zeigt sich im Bereich der linken Hemisphäre ein mandarinen-großer Blutungsherd mit bereits beginnend raumfordernder Wirkung und diskreter Verlagerung der Mittellinienstrukturen.

Daraufhin erfolgt die sofortige Kontaktaufnahme mit der neurochirurgischen Universitätsklinik, die in einer Fahrzeit von 45 – 50  Minuten zu erreichen wäre. Die Universitätskliniksklinik signalisiert Aufnahmebereitschaft.

Der erstversorgende Notarzt hält sich noch in der Zentralen Notaufnahme auf und stellt sich aufgrund des raschen Handlungsbedarfs grundsätzlich zum Sekundärtransport zur Verfügung.  Aufgrund der nicht unbeträchtlichen Entfernung des Krankenhauses zur Universitätsklinik, rät der Notarzt dringlich zur sofortigen Veranlassung eines Hubschraubertransportes. Der Sekundärtransport mit dem Hubschrauber wäre am frühen Nachmittag bei guten Wetterverhältnissen sofort arrangierbar.

Ein Sekundärtransport der 36-jährigen Frau mit dem Hubschrauber wird vom Leitenden Arzt der neurologischen Klinik  jedoch energisch abgelehnt. Der Krankenhausarzt besteht auf den bodengebundenen Transport der mittlerweile endotracheal intubierten Patientin. Die Pupillendifferenz ist weiterhin deutlich erkennbar.

Ein klärendes Gespräch ist nicht möglich.

 

 

Frage an das Forum:

– Vorschläge zum weiteren Vorgehen des für den Sekundärtransport verantwortlichen Notarztes

– Meinungen des Forums zur Weisungsbefugnis des leitenden Klinikarztes  

3 thoughts on “Fall des Monats Juni 2015

  1. Der Klinikarzt hat mit dem Rettungsdienst aber auch so überhaupt und garnichts zu tun, dass sich die Frage nach einer "Weisungsbefugnis" erübrigt. 

    Er muss aber als Facharzt die Dringlichkeit feststellen und der Leitstelle kommunizieren. Wie schön wäre es, wenn dort jemand säße, der sich über die Wahl des Transportmittels mehr Gedanken machen würde, als auf dem Leitstellenrechner aufblinkt. 

    Letztlich hat der Notarzt nach Übernahme der Patientin die alleinige Verantwortung für die Therapie und kann in diesem Rahmen auch ein vermeintlich geeigneteres Transportmittel anfordern.  

     

    So zumindest meine Auffassung der Unstände. 

  2. Ich Teile die o.g. Meinung. Die Leitstelle wird mit dem Transport beauftragt und schickt den – in diesem Fall vor Ort befindlichen – NA. Dieser trägt die Verantwortung für den Transport in einem von ihm bestimmten Rettungsmittel. Ob die Nachforderungen eines RTH hier Zeit gespart hätte ist schwer zu beurteilen liegt aber in der Entscheidungsbefugnis des NA.

  3. Kommentar zum Stand der Diskussion im aktuellen Fall:

    Wie von den Kollegen Stefan Dreesen und Felix Gahlen bereits angemerkt wurde, trägt der zum Sekundärtransport alarmierte Notarzt auch die Verantwortung für den Transport und kann ( abhängig von der Transportdistanz) auch das geeignete Rettungsmittel wählen.

    Weiterer Verlauf  des Juni-Falls 2015:

    Aufgrund der Dringlichkeit der Situation wurde vom Verlegungs-Notarzt eine Eilt-Abfrage der Rettungsleitstelle nach der raschen Rekrutierbarkeit von Rettungshubschraubern eingeleitet. Die Rettungsleitstelle konnte mit 3 involvierten Disponenten innerhalb von weniger als 2 Minuten recherchieren, dass die infrage kommenden 3 Rettungshubschrauber sich im Einsatz befänden.

    Daraufhin zügige Einleitung des RTW Transportes zur Uniklinik. Der Transport der intubierten Patientin mit Sonderrechten dauerte bei günstiger Verkehrssituation 40 Minuten ohne aufgetretene Komplikationen. In der zentralen Notaufnahme zügiges Management zur Präzisierung der Arbeitsdiagnose. Bei Subarachnoidalblutung Grad IV nach Hunt  & Hess und feststellbarem Aneurysma der Arteria cerebri media erfolgte die Ausschaltung des Aneurysmas durch Clipping und Ausräumung der zeitgleich bestehenden ICB links parietal. Der weitere postoperative Verlauf auf der neurochirurgischen Intensivstation war leider wiederholt komplikationsbehaftet mit wiederholten Phasen der Vigilanzminderung und wechselnd ausgeprägter Hemiparese rechts sowie aphasischen Perioden. Cerebraler Vasospasmen mussten wiederholt mittels Ballondilatation beziehungsweise medikamentös behandelt werden. Aufgrund einer Hirnschwellung der linken Hemisphäre mit Mittellinienverlagerung wurde schließlich auch die Hemikraniektomie links erforderlich. Bei Notwendigkeit der Langzeitbeatmung erfolgte das Anlegen einer Tracheotomie. Nach 6-wöchiger stationärer Therapie in der Universitätsklinik Einleitung einer Frührehabilitationsmaßnahme für die noch tracheotomierte Patientin bei allerdings gut fortschreitender Weaning-phase.

    Zusammengefasst wäre im aktuellen Fall einer wirklich zeitsparende Rekrutierung eines Rettungshubschraubers ohnehin nicht möglich gewesen. Die wirklich engagierte Suche der Kreisleitstelle nach einem rekrutierbaren Rettungshubschrauber mit verwertbarem Ergebnis innerhalb von weniger als 2 Minuten muss lobend erwähnt werden.

    Dr. Gerrit Müntefering

    Arzt für Chirurgie /Unfallchirurgie/Notfallmedizin

    Lessingstraße 26

    47445 Moers

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